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Europa nicht als Großstaat, sondern als "Republik der Republiken" organisieren
Interview mit Prof. Karl Albrecht Schachtschneider über die EU-Verfassung
Prof. Karl Albrecht Schachtschneider vertritt die
Verfassungsklage des Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler gegen den
EU-Verfassungsvertrag. Er lehrt öffentliches Recht an der Universität
Erlangen-Nürnberg und gehört zu den besten Kennern des Europarechts und
der Europäischen Verfassung. 1992 führte er die Verfassungsbeschwerde
gegen den Maastrichter Vertrag, 1998 klagte er, zusammen mit den
Professoren Hankel, Nölling und Starbatty, gegen die Einführung des
Euro. Das folgende Gespräch mit Prof. Schachtschneider führten Gabriele
Liebig und Alexander Hartmann am 3. Mai in Nürnberg.
Der Verfassungsvertrag als Ermächtigung
Das Maastricht-Urteil von 1993
Verlust der "existentiellen Staatlichkeit"
Wiederkehr der Todesstrafe?
Eigenartige Grundrechte
Ende der Mitbestimmung und Rechtssicherheit
Wie geht es weiter mit Europa?
Ein europäischer Großstaat kann nicht demokratisch sein
Verbund der Nationalbanken statt EZB
Die Sache des Volkes
Herr Prof. Schachtschneider, Sie haben eine umfangreiche
Verfassungsbeschwerde gegen den EU-Verfassungsvertrag erhoben. Was sind
dabei die allerwichtigsten Punkte?
Schachtschneider: Die eigentliche Triebfeder
dieser ganzen Arbeit ist die Verteidigung des Rechts bei der
europäischen Integration. Ich akzeptiere das Integrationsprinzip im
Grundgesetz, aber es darf dabei das Recht nicht verloren gehen. Das ist
ein politischer Standpunkt, der auch beim Bundesverfassungsgericht
durchaus Anklang findet - schon im Maastrichtprozeß.
Es gibt für mich keine Freiheit ohne Recht, aber auch kein Recht
ohne Staat. Das Recht, und damit die Freiheit, insbesondere die
Menschenrechte, sind im Zuge der Integrationsentwicklung in großer
Gefahr oder sogar weitgehend schon verloren. Ich will versuchen, zu
retten, was zu retten ist. Das ist für mich Pflicht. Irgend jemand in
Deutschland muß dafür sorgen, daß diese Frage ernsthaft erörtert wird,
und das kann ich nur beim Bundesverfassungsgericht veranlassen. Niemand
sonst ist bereit, den Verfassungsvertrag ernsthaft zu erörtern - außer
Ihnen, erfreulicherweise. Die Medien tun es im großen und ganzen nicht
und Bundestag und Bundesrat eben auch nicht, trotz der Bemühungen von
Dr. Peter Gauweiler.
Damals im Maastrichtprozeß ist es mir gelungen, eine ernsthafte
Diskussion herbeizuführen. Natürlich geht es mir nicht nur um die
Diskussion, sondern um die Veränderung des Vertrages, weil er falsch
ist und großen Schaden anrichtet.
Zu den Prinzipien, die ich vertrete, der Freiheit im weitesten
Sinne, gehört auch das Eigentum, vor allem aber die großen
Strukturprinzipien, welche die Freiheit stützen: Demokratie und
Rechtsstaat, Sozialstaat und Föderalismus. Alle diese Prinzipien des
Art. 20 GG gehen mehr und mehr durch die europäische
Integrationsentwicklung verloren. Der Verfassungsvertrag ist ein
Meilenstein der Entwicklung in den Unrechtsstaat.
Der Verfassungsvertrag als Ermächtigung
Er ist nicht einmal der Schlußpunkt. Der Vertrag ist auf
Weiterentwicklung angelegt. Er enthält Möglichkeiten, die Angst machen
sollten: etwa die der Wiedereinführung der Todesstrafe, nicht in jeder
Situation, aber im Kriegsfall und bei unmittelbar drohender
Kriegsgefahr! Ins Recht gesetzt wird auch die Tötung, wenn sie nötig
ist, um Auflauf und Aufruhr niederzuschlagen. Das heißt, laut
EU-Grundrechtecharta hätte man in einer Situation wie in Leipzig 1989
schießen dürfen!
Das ist ja unglaublich! Können Sie das näher erläutern?
Schachtschneider: Wir werden später darauf
zurückkommen, wenn es um die Grundrechte geht. Aber wenn ein
Bundestagsabgeordneter Ja zu dem Vertrag sagt, dann weiß er nicht, was
er tut! Er kennt den Vertrag nicht.
Hinzu kommt: Die Bestimmung IV-445 ermöglicht die vereinfachte
änderung dieses Vertrages und damit der zukünftigen Verfassung für 500
Millionen Menschen. Das betrifft die gesamte Wirtschaftsverfassung mit
Binnenmarkt, Währungsunion, Wettbewerbsrecht, bis hin zum
Verbraucherschutz und Sozialpolitik, aber auch die
Sicherheitsverfassung in der Innenpolitik, den "Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts". Diese gesamten Regelungen in Titel III Teil
III des Vertrags können durch Beschluß der Staats- und Regierungschefs,
also durch Europäischen Beschluß, geändert werden. Das Europäische
Parlament wird dazu nur angehört, die nationalen Parlamente werden
überhaupt nicht einbezogen.
Das heißt, dieses Papier wird keinen langen Bestand haben, es
ist ein Ermächtigungsgesetz. Das ist raffiniert geregelt, ich habe das
nur mit Mühe entdeckt. Der normale Politiker kann einen solchen
Vertragstext gar nicht lesen. Da steht z.B., ein solcher, den Inhalt
der Verfassung ändernder Europäischer Beschluß "tritt erst nach
Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mir ihren jeweiligen
verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft". Das klingt wunderbar,
aber in Deutschland genügt die Zustimmung der Bundesregierung.
Bundestag und Bundesrat sind überhaupt nur zustimmungsberechtigt, wenn
völkerrechtliche Verträge geschlossen werden.
Die EU-Verfassung ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Er bedarf
der Zustimmung beider Häuser, mit Zwei-Drittel-Mehrheit, ermächtigt
aber zur änderung durch einen Europäischen Beschluß, und dieser
änderungsbeschluß ist nun einmal kein völkerrechtlicher Vertrag! Und
wenn es kein Vertrag ist, dann genügt, wie bei der ganzen
NATO-Rechtsprechung, im Prinzip die Zustimmung des Außenministers. Die
Auswärtige Gewalt ist grundsätzlich Sache der Bundesregierung.
Das geht an der demokratischen Willensbildung vorbei. Es
erfordert keine Volksabstimmung, auch nicht in Frankreich,
Großbritannien und sonstwo. Es erfordert bei uns auch keine
parlamentarische Beteiligung. Das machen die Staats- und
Regierungschefs mit den Präsidenten des Rates und der Kommission unter
sich aus. Sie können wesentliche Teile des Verfassungsvertrages
insgesamt oder zum Teil ändern. Sie werden das auch tun, ich denke sehr
bald.
Absprachen zwischen den Regierungen sind ja an sich nichts
Schlimmes, solange die geltende Verfassungsordnung, das Grundgesetz
gewahrt bleibt. Aber schon die Bezeichnung EU-Verfassung - in
Verbindung mit der Regel: Europäisches Recht bricht nationales Recht -
bedeutet ja, daß unsere Verfassung dann nur noch untergeordneten Wert
hätte?
Schachtschneider: Ja, so ist das geregelt: Das
gesamte europäische Recht, auch das Sekundärrecht und Tertiärrecht,
also jede kleine Regelung, hat Vorrang vor den Verfassungen der
Mitgliedstaaten. Aber das wird beim Bundesverfassungsgericht nicht
durchgehen, so wie auch der Maastrichter Vertrag damals zugunsten des
nationalen Parlamentarismus eingegrenzt wurde.
Ich bin auch für eine erhebliche Stärkung der Referenden. Wir
finden in diesem Parteienstaat nur wieder zu demokratischen Strukturen
zurück, wenn Volksabstimmungen zugelassen sind. Auf diese besteht
freilich längst ein Anspruch.
Der EU-Verfassungsvertrag ist ein dickes Buch, das kein
Mensch ohne weiteres versteht. Wie kann man darüber eine
Volksabstimmung abhalten? Sie sagen ja, sogar die Abgeordneten könnten
es nicht verstehen.
Schachtschneider: Den Einwand kenne ich, er ist
berechtigt. Die Abgeordneten kennen den Vertrag nicht. Das ist
bedauerlich, aber sie könnten ihn schon verstehen, wenn sie mich mal
zwei bis drei Stunden anhören würden. Aber sie holen mich nicht, sie
holen nur Integrationisten, die also die Probleme gar nicht sehen,
geschweige denn ansprechen. Ich kenne ja die Protokolle des
Europaausschusses. Aber dumm sind die Menschen nicht, sie sind einfach
nicht informiert. Sie werden falsch informiert, z.B. jetzt über den
Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu Dr. Peter Gauweilers
Verfassungsklage. Der Beschluß ist geradezu eine Aufforderung zum Tanz
- zum richtigen Zeitpunkt, am 27. Mai!
Das Maastricht-Urteil von 1993
Die Verhandlung über Ihre Verfassungsbeschwerde wurde also einfach vertagt bis nach der Bundestagsentscheidung?
Schachtschneider: Genau. Unser Antrag ging
darauf, daß der Bundestag die zweite und dritte Lesung unterläßt. Das
wurde uns nicht zugestanden. Ich habe dafür Verständnis. Doch dann wird
in dem Beschluß auf den Maastrichtprozeß
hingewiesen, den ich ja nun kenne, als wollten Sie sagen: "Das müßten
Sie doch wissen, Herr Schachtschneider, Sie haben ja den Prozeß selbst
geführt." Ich nehme es als Wink mit dem Zaunpfahl: Wenn Ihr am 27. Mai
kommt, dann werden wir die Ratifikation unterbrechen, bis wir
entschieden haben. Und das kann ein Jahr dauern.
Was war das Wichtigste an diesem Maastrichturteil?
Schachtschneider: Erstens war fast sensationell
das Zugeständnis eines vorher nie zugestandenen Grundrechts: daß
nämlich der Bürger Anspruch auf substantielle Vertretung durch den
Deutschen Bundestag habe. Dann müssen diese Volksvertreter aber auch
etwas zu vertreten haben; sie müssen Befugnisse haben, die den Namen
verdienen - "substantielle Befugnisse" war das Wort. Ich hatte
vorgetragen, die Staatlichkeit Deutschlands würde durch den
Maastrichter Vertrag so sehr entleert, daß Art. 38 - das Grundrecht,
wonach Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes sind - weitestgehend
leerläuft. Und die Verfassungsrichter meinten, das sei "noch nicht" der
Fall. Zweimal sagten sie "noch nicht" im Urteil von 1993.
Aber jetzt, mit der "EU-Verfassung", ist diese Grenze nun wirklich
überschritten! Darum geht es in diesem Prozeß. Die Kollegen der
Gegenseite fanden, dieses Grundrecht, was ich da vortrüge, sei
denkunmöglich. Aber das Bundesverfassungsgericht hat mir zugestimmt.
Und davon rücken die Verfassungsrichter nicht wieder ab. Das halte ich
für ausgeschlossen.
Ich stütze den Rechtsschutz gegen den Verfassungsvertrag
lieber auf die politische Freiheit; denn Art. 38, das Recht auf
Vertretung des ganzen Volkes, ist nur ein Ausschnitt der politischen
Freiheit. Aber in Deutschland ist die politische Freiheit als
Grundrecht noch niemals anerkannt worden, was die öffentlichkeit auch
nicht weiß. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat ein Grundrecht
der politischen Freiheit ausdrücklich abgelehnt. Wir haben zwar die
Freiheit, zu wählen, und eine wenn auch sehr begrenzte Redefreiheit.
Aber die politische Freiheit, das Recht, Mitgesetzgeber zu sein, am
politischen Geschehen, an der Polis, teilzuhaben - das ist der Kern
meiner ganzen Lehre - ist bisher in Deutschland noch von keinem Gericht
als allgemeines Grundrecht anerkannt worden.
Deshalb stütze ich die Klage auch auf Art. 38 GG; denn der
Anspruch ist sicher. Es wird nur um die Frage der "existentiellen
Staatlichkeit" und das Prinzip der begrenzten Ermächtigung gehen.
Andere sprechen von Souveränität, doch das ist ein monarchischer
Begriff, der schlecht zu einer republikanischen Verfassung paßt. Mit
"existentieller Staatlichkeit" meine ich die wesentlichen Aufgaben und
Befugnisse eines Staates, die unmittelbar mit dem Staat - und das ist
ja nichts anderes als das Volk, organisiert als Staat, die
Bürgerschaft, verfaßt durch das Verfassungsgesetz - verbunden sind. Der
Kernsatz, den keiner abschaffen kann, ist: Alle Staatsgewalt geht vom
Volk aus. Aus dem Grunde darf die Europäische Union nur Befugnisse im
Rahmen einer "begrenzten Ermächtigung" haben. Das Prinzip der
begrenzten Einzelermächtigung ist der Schlüsselbegriff des Prozesses.
Die demokratierechtliche Konzeption stammt von mir und wurde vom
Bundesverfassungsgericht im Maastrichturteil auf diesen Begriff
gebracht.
Die Befugnisse der Union - deren Ausübung mangels eines
Unionsvolkes nicht originär demokratisch legitimiert ist - können nur
so gehandhabt werden wie etwa Verordnungen zu Rechtsverordnungen. Die
Ermächtigungen müssen so bestimmt sein, daß die nationalen Parlamente
verantworten können, welche Politik von den Organen der Union gemacht
wird. Deren Politik muß vom Deutschen Bundestag verantwortet werden
können. Das ist sie aber nur, wenn sie hinreichend voraussehbar ist,
weil die Ermächtigungen hinreichend bestimmt sind.
Wer den Verfassungsvertrag gelesen hat, weiß, daß es völlig
anders ist. In der Verfassungsklage werde ich nachweisen, daß das
Prinzip der begrenzten Ermächtigung nicht eingehalten ist und daß die
Befugnisse, die übertragen werden, von existentieller Bedeutung für ein
Volk sind und darum nicht auf einen Staatenverbund übertragen werden
dürfen. Die existentielle Staatlichkeit der Europäischen Union geht bei
weitem zu weit.
Das gilt ja auch für das Bundesverfassungsgericht selbst.
Noch ist das Bundesverfassungsgericht das höchste Gericht der
Deutschen, aber gemäß der EU-Verfassung dann nicht mehr.
Schachtschneider: So ist es! Es wird
entmachtet. In meiner Klageschrift habe ich aufgezeigt, in wieweit die
existentielle Staatlichkeit zum einen entgegen dem Grundgesetz auf die
Europäische Union übertragen und zum anderen das Prinzip der begrenzten
Ermächtigung verletzt ist.
Jedermann weiß, daß ein politischer Prozeß auch politisch
entschieden wird und nicht nur dogmatisch. Wenn er ausschließlich nach
Rechtsprinzipien entschieden würde, gäbe es gar keinen Zweifel, wie er
ausginge. So wie der Verfassungsvertrag formuliert ist, kommt er in
Karlsruhe nicht durch. Es ist die Frage, ob die Verfassungsrichter ihn
gänzlich ablehnen - das müßten sie, aber werden es vielleicht nicht
tun. Aber sie werden ihn zurechtstutzen wie damals den
Maastrichtvertrag, möglicherweise in der Hoffnung, daß er vorher schon
in Frankreich gescheitert ist. Ich bin meiner Arbeit aber durch die
Entscheidung der Franzosen nicht enthoben.
Wissen Sie, ob es in anderen EU-Staaten auch Verfassungsbeschwerden gibt?
Schachtschneider: Nein, ich wüßte nicht, aber in österreich wird, wie ich höre, darüber nachgedacht.
Verlust der "existentiellen Staatlichkeit"
In welchen Bereichen ist denn die "existentielle Staatlichkeit" gefährdet oder bereits verloren?
Schachtschneider: Wir haben die existentielle
Staatlichkeit, sprich: die unverzichtbare nationale Hoheit, im Bereich
der Wirtschaft fraglos verloren. Die Wirtschaftspolitik ist
weitestgehend, die Währungspolitik völlig der Union überantwortet. Im
Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik sind uns dadurch, aber
auch durch Befugnisse der Union, die Hände gebunden.
Wir haben insbesondere die existentielle Staatlichkeit in Sachen
des Rechts, die Rechtshoheit, verloren. Das ist besonders schmerzlich.
Wir stehen im Begriff, durch den Verfassungsvertrag die Hoheit in der
Innenpolitik, nämlich in Sachen der Polizei und der Justiz, zu
verlieren. Das geht noch viel weiter als der europäische Haftbefehl.
Auch in Sachen Verteidigungspolitik haben wir kaum noch etwas zu sagen.
Durch die Integration in die NATO war Deutschland nie souverän, aber
jetzt geht die Hoheit auf diesem Gebiet gänzlich auf die Union über,
die freilich an die NATO gebunden bleibt. Der Europäische Rat kann die
Gemeinsame Verteidigung beschließen, nicht nur für den Einzelfall.
Am schlimmsten sehen Sie die Lage aber auf wirtschaftlichem Gebiet?
Schachtschneider:Ich erwähne nur die drei
"Grundfreiheiten": die Dienstleistungsfreiheit, die
Niederlassungsfreiheit und insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit.
Der schlimmste Tort, den wir uns antun konnten, ist die
Kapitalverkehrsfreiheit! Der Niedergang der deutschen Wirtschaft hängt
zu einem Drittel damit zusammen.
Sie sprechen von der Deregulierung im Rahmen der Globalisierung?
Schachtschneider: Ja, ja. Wir haben uns jedwede
Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs verbieten lassen und uns
selbst verboten - nicht nur gegenüber Ländern der Europäischen Union,
sondern gegenüber allen Ländern der Welt.
Schachtschneider: Nein, das ist nicht in der WTO
geregelt, sondern in Art. 56 des EG-Vertrags. Das hat kein Abgeordneter
gemerkt. Dieses unbeschränkte Verbot ist seit 1994 unmittelbar
anwendbar. Es ist die Kapitalverkehrsfreiheit, die uns hindert,
Investitionspolitik zu machen, also jede Beschränkung des Transfers von
Kapital, von Anteilsrechten - des von uns erwirtschafteten Kapitals!
Deutschland erwirtschaftet das stärkste Sparkapital, aber es wird
am wenigsten in Deutschland investiert. Unser Kapital wird woanders
investiert oder woanders hingegeben. Das ist unerträglich für
Deutschland! Dieses kapitalpolitische Problem ist viel wichtiger als
die lohnpolitischen und sozialpolitischen Probleme. Damit haben wir uns
die Hände gebunden. Die deutsche Politik wird solange nichts bewirken
können, bis wir einsehen und fordern: Entweder werden die
"Grundfreiheiten" geändert und die Kapitalverkehrsfreiheit aufgegeben,
oder wir scheiden aus der Union aus. Sonst hat Deutschland
wirtschaftlich keine Chance. Jede andere Politik begleitet lediglich
den wirtschaftlichen Niedergang zu Lasten der Bevölkerung. Die
Shareholder machen auch im Niedergang Gewinne. Der Niedergang ist zur
Ausbeutung bestens geeignet. Aber der deutschen Bevölkerung steht eine
schwere Krise bevor, weil die Regelungen, die Rahmenbedingungen so
sind.
Eigentlich müßte man doch hoffen können, eine Mehrheit für
eine änderung der Verträge zu bekommen, weil letztendlich alle
europäischen Länder darunter leiden. Man muß es nur auf den Punkt
bringen.
Schachtschneider: Problemlos. Aber Sabine Christiansen hat mich zu dem Thema noch nicht eingeladen.
Eine Folge des völlig ungeregelten Kapitalverkehrs ist ja
auch, daß die Regierungen durch bestimmte Akteure auf den Finanzmärkten
erpreßbar werden, indem gewisse Fonds drohen, den Markt mit
Regierungsanleihen zu überschwemmen. Da war doch dieser spektakuläre
Fall, als die Citigroup in London binnen zwei Minuten eine riesige
Menge deutscher Staatsanleihen verkaufte, und zwar genau an dem Punkt,
als die Montagsdemonstrationen anfingen und von Schröder verlangten,
Hartz IV zu modifizieren.
Schachtschneider: Wir haben ihnen die Macht
dazu gegeben! Weder die Bevölkerung noch die Abgeordneten haben
gemerkt, daß wir mit dem Art. 56 EGV die Möglichkeiten der Politik
weitestgehend aufgegeben haben. Wir haben uns der Wirtschaftshoheit
begeben. Aber das gilt auch für die Dienstleistungsfreiheit, die
Entsendeproblematik, das Herkunftslandprinzip. Herkunftslandprinzip
heißt, daß für lebenswichtige Tätigkeiten im Lande nicht mehr wir die
politische Verantwortung übernehmen und haben, nicht mehr wir bestimmen
können, wie die Lebensmittel beschaffen, die Arbeitsverhältnisse
gestaltet sind und vieles andere mehr, sondern irgendein anderes Land
das regelt, auf dessen Politik wir keinen Einfluß haben. Das ist
demokratisch untragbar.
Hier setzt ja auch die soziale Kritik an der EU-Verfassung, z.B. seitens der Gewerkschaften an.
Schachtschneider: Durch die Rechtsprechung zur
Niederlassungsfreiheit wird es möglich, daß Unternehmen in Deutschland
Rechtsformen anderer Länder nutzen können - etwa die societé anonyme,
limited company usw. Das hat der Europäische Gerichtshof durchgesetzt.
Das heißt: Die deutsche Mitbestimmung ist am Ende! Mitte der siebziger
Jahre wollten die Gewerkschaften die Mitbestimmung notfalls mit
Generalstreik durchsetzen. Jetzt ist die Mitbestimmung erledigt! Das
ist nur eine Sache, die aus der Rechtsprechung zum
Herkunftslandprinzip folgt. Wenn jetzt irgendein "private
equity"-Unternehmen in der französischen Rechtsform nach Deutschland
kommt und Siemens oder Daimler-Chrysler übernimmt, dann haben diese
Unternehmen am nächsten Tag keine Mitbestimmung mehr. Diese Wirkung der
Niederlassungsfreiheit war nicht voraussehbar, verantwortbar im Sinne
einer begrenzten Ermächtigung.
Ihre Klage bietet dem Bundesverfassungsgericht also nun
gewissermaßen eine letzte Gelegenheit, auf die Bremse zu treten - auch
gegenüber dem Europäischen Gerichtshof?
Schachtschneider: Das Schlimmste bei alledem
ist ja der Europäische Gerichtshof: Dessen letzter Präsident hat selbst
gesagt: "Wir sind der Motor der Integration." Der Gerichtshof ist
mächtiger als alle anderen europäischen Institutionen. Mittels der
Grundfreiheiten kann er die gesamte Rechtsordnung umwälzen und hat das
in weitem Umfang schon getan. Ich greife ausführlich - über sechzig
Seiten - die Praxis des Europäischen Gerichtshofs zu den
Grundfreiheiten an und sage: Die Grundfreiheiten sind keine begrenzte
Ermächtigung. Auch der Europäische Gerichtshof unterliegt diesem
Prinzip, das das Bundesverfassungsgericht damals im Maastrichturteil
vorsichtig auch gegenüber dem Gerichtshof angemahnt hat. Der
Gerichtshof darf die Grundfreiheiten nicht so weit interpretieren, daß
seine Urteile eigentlich Vertragsänderungen sind.
Der Europäische Gerichtshof hat in Tausenden von Entscheidungen noch nicht einmal
zu erkennen vermocht, daß ein Rechtsakt der Union grundrechtewidrig
ist. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs finden immer alles in
Ordnung, was die Kommission und der Rat machen. Außerdem sind die
Richter für ihre Integrationsaufgabe von den Regierungen handverlesen.
Sie beziehen ein Grundgehalt von 17 000 Euro, das ist mindestens das
Dreifache dessen, was ein deutscher Ordinarius verdient. Hinzu kommen
noch manche Spesen. Solche Gehälter haben bekanntlich eine
Bestechungsfunktion. Diese Posten hat man gerne und man hat sie gerne
nochmal. Die Richter können wiedergewählt werden, jeweils für sechs
Jahre! Das ist keine richterliche Unabhängigkeit! In 50 Jahren haben
sie nicht einen Rechtsakt aufgehoben, weil sie ihn für verfassungs-
oder grundrechtswidrig erklärten. Vom Europäischen Gerichtshof ist kein
Grundrechtsschutz zu erwarten.
Wiederkehr der Todesstrafe?
Stichwort Grundrechte: Sie erwähnten zu Anfang, daß
nicht einmal das Recht auf Leben durch die Grundrechtecharta der
EU-Verfassung verläßlich gesichert ist und unter bestimmten Umständen
die Todesstrafe wieder möglich würde?
Schachtschneider: Ja, kommen wir zu den
Grundrechten, z.B. dem Recht auf Leben, und sehen uns das im Detail an.
In Art. II-62 VV steht: Niemand darf zum Tode verurteilt werden,
niemand darf hingerichtet werden. - In Ordnung.
Aber das ist nicht die Wahrheit! Im Verfassungsvertrag steht
nämlich, daß die Erklärungen zu den Grundrechten, die im
Grundrechtekonvent unter Roman Herzog mit dem Text der Europäischen
Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
übernommen worden und lange diskutiert worden sind, die gleiche
Verbindlichkeit haben wie der Grundrechtstext selbst. In den
Erklärungen kommt die Wirklichkeit! Die Grundrechtecharta richtet sich,
jedenfalls in den klassischen Grundrechten, nach der EMRK von 1950.
Damals war es wohl nicht anders möglich, als daß man den vielen
Mitgliedstaaten des Europarates die Möglichkeit der Todesstrafe ließ.
Deutschland hatte die Todesstrafe gerade abgeschafft, 1949, aber
Frankreich, Großbritannien und viele andere Staaten hatten sie noch,
und es wäre nie zu einer Menschenrechtserklärung gekommen, wenn man auf
allgemeiner Abschaffung der Todesstrafe bestanden hätte.
Doch nun wurde diese Erklärung von 1950 - nach langer
Diskussion, nicht aus Versehen - ganz bewußt übernommen, als
maßgebliche Erklärung zur Grundrechtecharta. Und diese Erklärungen muß
man lesen und verstehen können!
Darin steht zunächst auch einmal, daß niemand zum Tode
verurteilt oder hingerichtet werden darf. Doch dann kommen die
Erläuterungen, u.a. "Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses
Artikels angesehen, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht
worden ist, die unbedingt erforderlich ist, um jemanden gegen
rechtswidrige Gewalt zu verteidigen" - in Ordnung, Notwehr - ,
"jemanden rechtmäßig festzunehmen, oder jemand, dem die Freiheit
rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern" - das geht schon
sehr weit, doch dann kommt es - "einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig
niederzuschlagen". Das ist die Situation in Leipzig, oder eine mit
Gewalt verbundene Demonstration, die als Aufruhr oder Aufstand
angesehen wird.
Das ist aber nicht alles. Es heißt weiter in der Erklärung:
"Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die
in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden.
Diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind und
in Übereinstimmung mit diesen Bestimmungen angewendet werden." Also ist
die Todesstrafe in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr
möglich.
Nun wird eingewendet: Die Todesstrafe steht, jedenfalls in
Deutschland, in keinem Gesetz. Richtig. Aber wenn die Europäische Union
Durchführungsbestimmungen für "Missionen", d.h. Krieg, für
Krisenreaktionseinsätze macht, wenn sie z.B. Regelungen für einen
solchen Kriegsfall trifft, welche die Todesstrafe ermöglichen, dann
kann man nicht mehr sagen, daß dies gegen die Grundrechte der
EU-Verfassung verstößt. Denn dies wäre an genau dieser Erklärung zu
messen.
Einen Grundrechtsschutz des Lebens im Kriegsfall oder bei
unmittelbarer Kriegsgefahr gibt es also nicht mehr. Weil es europäische
Rechtsakte sein werden, sind sie nicht am deutschen Grundgesetz zu
messen - Art. 102 GG, die Todesstrafe ist abgeschafft - sondern hieran.
Das heißt, die Todesstrafe ist möglich, und sie wird kommen. Aber ich
kann es niemandem vorwerfen, der sich nicht das ganze Leben lang mit
öffentlichem Recht beschäftigt und mit dem Europarecht herumschlägt,
wenn er nichts merkt. Dieses Werk hier, die EU-Verfassung, zu lesen -
das ist doch eine Körperverletzung!
Eigenartige Grundrechte
Was sagen Sie außerdem noch zur Grundrechtecharta?
Schachtschneider: Sehen Sie sich die
Medienfreiheit an: "Die Medien und ihre Pluralität werden geachtet."
Was heißt denn: achten? Die Grundrechtecharta kennt etwa zwanzig Verben
für die Intensität des Grundrechteschutzes: sicherstellen,
gewährleisten, ein Recht haben, usw. "Ein Recht haben" ist gut, aber
"werden geachtet" ist die schwächste Schutzzusage.
Die Lehrfreiheit, mein Grundrecht, steht überhaupt nicht mehr im
Text - und zwar nicht aus Versehen. Denn ihr Fehlen wurde öffentlich
gerügt und diskutiert. Ein Bundestagsabgeordneter, der im
Grundrechtekonvent saß, sagt: Wir konnten die Freiheit der Lehre nicht
durchsetzen. So heißt es jetzt: "Die Freiheit der Forschung und die
akademische Freiheit werden geachtet." Was akademische Freiheit ist,
weiß keiner so genau. Bei der Lehrfreiheit wußte man, was das ist.
Lehrfreiheit heißt, daß man niemandem vorschreiben kann, was er lehrt?
Schachtschneider: Oder ihn wegen seiner Lehre
zur Rechenschaft ziehen kann. Die Freiheit des Katheders ist vom
Bundesverfassungsgericht immer hochgehalten worden. Jetzt wird sie
durch die Politik torpediert. Noch gibt es sie, aber sie ist in größter
Gefahr.
Die Lehrstühle werden auch immer mehr von privaten Geldgebern abhängig gemacht.
Schachtschneider: Exakt. - Ein weiteres
Beispiel: Das Eigentumsrecht ist im EU-Verfassungsvertrag von der
sozialen Frage gelöst. Im Grundgesetz haben wir das schöne Grundrecht
(Art. 14 GG): "Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.
Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. Eigentum
verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit
dienen." Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist derzeit ein großes
Thema. Eigentum heißt Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit. In der
EU-Verfassung steht das nicht mehr. Der Vertrag schafft eine
neoliberale Verfassung. Sie öffnet sich für den Neokapitalismus. Das
Sozialprinzip ist weit zurückgedrängt.
Anderes kommt hinzu, z.B. die Rechte der "älteren Menschen". Was
ist ein "älterer Mensch"? Einer ist immer älter als der andere.
"älterer Mensch" ist rechtlich ein abwegiger Begriff. Aber diese
"älteren Menschen" haben nun ein Sondergrundrecht, und das schließt
mehr aus als ein! ältere Menschen haben das Recht auf Teilnahme am
sozialen und kulturellen Leben. Das zu sagen, ist eine Unverschämtheit!
Das politische Leben ist nämlich nicht genannt, nicht aus Versehen! Was
soll das heißen? Daß ältere Menschen - im Zweifel stempelt man sie als
dement - kein Wahlrecht mehr brauchen?
Es sollte doch selbstverständlich sein: Wie alt ein Mensch auch
sein mag, er hat immer dieselben Rechte. Es kann doch nicht aufs Alter
ankommen. Eine Sonderregelung für ältere Menschen - eine glatte
Diskriminierung. Natürlich gibt es auch gesonderte Regelungen für
Jugendliche, Frauen und Männer.
Ende der Mitbestimmung und Rechtssicherheit
Von der Tarifautonomie bleibt nicht viel übrig. Die in Deutschland
heilige Tarifautonomie, wonach die Löhne und Gehälter von den
Tarifpartnern festgelegt werden, ist zwar in Art.II-88 VV noch
angedeutet, aber die Vorbehalte erlauben es, wenn auch der Streik
gewährleistet ist, die Tarifautonomie weitgehend einzuschränken. Nach
Art. 9 (3) GG sind Mindestlohnregelungen im Prinzip nicht zulässig. Daß
Mindestlöhne jetzt überhaupt diskutiert werden, liegt am Europarecht.
Den Weg hat die Entsenderichtlinie geebnet und die wird nicht an Art. 9
(3) GG gemessen, sondern an europarechtlichen Grundrechten, die nichts
wert sind.
Der Grundrechtestatus der Bundesbürger wird ganz erheblich
verschlechtert. Diese vielgerühmte Grundrechtecharta bedeutet einen
schweren Verlust an Rechtlichkeit und rechtlicher Kultur. Sie ist genau
das Gegenteil eines Fortschritts. Schon allein das zwingt, gegen den
Vertrag zu Felde zu ziehen.
Wie stehen Sie zum europäischen Haftbefehl und diesem Fall eines Geschäftsmannes, der nach Spanien ausgeliefert werden soll?
Schachtschneider: Untragbar. Der europäische
Haftbefehl wird in Karlsruhe fallen. Der Prozeß läuft, die mündliche
Verhandlung hat stattgefunden. Das Gericht hat deutliche Kritik
geäußert. Ein Urteil gegen den europäischen Haftbefehl wird schon ein
Vorzeichen für unseren Prozeß sein. Wir haben den europäischen
Haftbefehl auch ausführlich in unserer Klage behandelt. Er ist
untragbar, weil er nun wirklich Grundprinzipien des Rechtsstaates
verletzt, nämlich den Schutz des Bürgers durch den eigenen Staat.
Ein wesentliches Grundrecht wurde aus dem Grundgesetz gestrichen,
nämlich: Kein Deutscher darf ans Ausland ausgeliefert werden. Jetzt
ermöglicht der europäische Haftbefehl, daß jemand verhaftet und
ausgeliefert wird, selbst wenn die Tat, die er begangen hat, in
Deutschland nicht strafbar ist. Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Bisher
galt der Grundsatz der Gegenseitigkeit: Es wurde nur ausgeliefert, wenn
die Tat sowohl in Deutschland strafbar war als auch im Ausland. Im
übrigen mußten die Strafen im Ausland angemessen sein, z.B. keine
Todesstrafe. In dem erwähnten Fall geht es darum, daß jemand
ausgeliefert werden soll, obwohl er sich legal verhalten hat. Er ist
Deutscher. Er hat zwar noch eine weitere Staatsangehörigkeit, aber er
hat aufgrund seiner Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit. Er
soll wegen einer Tat an Spanien ausgeliefert werden, die in Deutschland
nicht strafbar ist.
Auf dem Spiel steht hier die Rechtssicherheit, verstehe ich das richtig?
Schachtschneider: Ja, die Rechtsstaatlichkeit,
das Legalitätsprinzip, das Gesetzlichkeitsprinzip - daß alle Handlungen
erlaubt sind, wenn sie nicht durch den Staat, in dem man lebt, verboten
sind. Ich erwarte, daß das Bundesverfassungsgericht das nicht mitmacht.
Mit der Einführung einer Europäischen Staatsanwaltschaft verlieren
wir auch die Hoheit in Strafsachen, nicht völlig, aber weitgehend. Und
das steht alles in dem Kapitel: Der Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts. Das klingt wunderbar, aber genau das Gegenteil ist der
Fall. Es bleibt nicht viel von Freiheit und Sicherheit. Was für eine
Sicherheit ist gemeint. Friedhofssicherheit? Oder Gefängnissicherheit?
Und des Rechts? Das Recht ist der größte Verlierer der europäischen
Integration.
Wie geht es weiter mit Europa?
Nehmen wir an, Frankreich sagt Nein zur
EU-Verfassung, und das Bundesverfassungsgericht auch. Wie soll es dann
weitergehen mit Europa? Man muß ein anderes Konzept an die Stelle
dieser Monsterverfassung stellen.
Schachtschneider: Niemand bezweckt, die
Europäische Union zu beenden, auch ich nicht. Wenn dieser Vertrag nicht
zustande kommt, ist die EU im übrigen keineswegs handlungsunfähig. Dann
sind die Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza, der 2003 in
Kraft getreten ist, maßgeblich. Diese gründen auf die Römischen
Verträge, die Einheitliche Europäische Akte und andere. Das bleibt...
... bis es geändert wird.
Schachtschneider: Man kann man es völkervertraglich ändern, durch einen neuen Vertrag.
Wie kann Europa sich besser organisieren als etwa durch den
Maastrichter Vertrag? Das Monströse an diesem Vertrag ist, von unserer
Warte, vor allem die abgehobene Position der Europäischen Zentralbank
(EZB). Deswegen mag die EZB den EU-Verfassungsvertrag offenbar nicht,
weil sie darin nicht mehr ganz so allmächtig ist. Aber diese nichts und
niemandem verantwortliche Unabhängigkeit der EZB ist ein Unding, das
die Finanzoligarchie - ich meine die Leute, die all diese
Deregulierungsmaßnahmen gegen die Regierungen durchgesetzt haben - sich
mit diesem Maastrichter Vertrag verschafft hat. Es war doch eine Art
Staatsstreich, damals 1992!
Schachtschneider: Das war meine Charakterisierung des Maastrichter Vertrages. Der Spiegel hat den Ausdruck "Staatsstreich" dann in der Berichterstattung über die Maastrichtklage übernommen.
Interessanterweise ist ja zwischen der Regierung Schröder
und der EZB bzw. der Bundesbank als Teil des Zentralbanksystems, Streit
ausgebrochen. Schröder möchte, daß Professor Bofinger Nachfolger von
Otmar Issing im EZB-Rat wird. Bundesbankpräsident Axel Weber und sein
Stellvertreter Jürgen Stark wurden nach Berlin einbestellt, nachdem sie
lauthals Kritik an der Lockerung des Stabilitätspaktes geübt hatten.
Von Regierungsseite ist eine gewisse Offensivität festzustellen.
Schachtschneider: Die Bestimmung IV-445 VV
erlaubt natürlich auch, die Regelung der Währungsunion völlig zu
verändern. Aus meiner Sicht sind die Tage der Unabhängigkeit der
Europäischen Zentralbank gezählt. Laut EU-Verfassung bleibt sie noch
unabhängig, aber die Staats- und Regierungschefs können das ändern.
Dieser fragwürdige Artikel wurde nicht von Giscard d'Estaing in die
Verfassung geschrieben, sondern ist nachträglich hineingekommen. Er
steht erst in der Fassung vom 29. Oktober 2004. Wer das getan hat, weiß
ich nicht. Die Regelung richtet sich auch gegen die Unabhängigkeit der
Zentralbanken. Die Franzosen mögen sie nicht, aber ich mag sie auch
nicht.
Wir mögen sie auch nicht.
Schachtschneider: Anders als mein Mitstreiter
und Freund Joachim Starbatty, der die unabhängige EZB verteidigt, finde
ich: Diese Zentralbank ist in keiner Weise demokratisch legitimiert.
Was Karlsruhe damals hat durchgehen lassen, war schon mehr als
fragwürdig.
Die Zentralbankpolitik, die allein der Geldwertstabilität
verpflichtet ist, ist für die Beschäftigungslage untragbar. Mir wäre es
am liebsten, wenn die Europäische Zentralbank sofort verschwände. Wir
haben schließlich auch gegen den Euro geklagt. Die Reduzierung der
Geldpolitik auf die Preisstabilität ist für den weltweiten Kapitalmarkt
eine Vorbedingung der Kapitalverkehrsfreiheit. Aber jeder, der noch
einen Rest an Sachlichkeit in sich hat, weiß, daß dies zu Lasten der
Beschäftigung geht. Den untrennbaren Zusammenhang von Geldpolitik und
Beschäftigungspolitik lasse ich mir nicht ausreden, wenn auch die
neoliberale Schule das nicht wahrhaben will!
Es gibt ja verschiedene Kriterien für die "Stabilität" einer
Volkswirtschaft. Natürlich muß Inflation verhindert werden, aber
Arbeitslosigkeit muß auch verhindert werden!
Schachtschneider: Meinen Stabilitätsbegriff
haben wir 1998 in der Euroklage dargelegt: Es gibt rechtlich überhaupt
nur eine wirtschaftliche Stabilität, nämlich gemäß dem magischen
Viereck, mit Gleichrang von Preisstabilität und hoher Beschäftigung,
aber auch außenwirtschaftlichem Gleichgewicht und Wachstum, alles auf
der Grundlage einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Das ist meines
Erachtens auch der Stabilitätsbegriff des Bundesverfassungsgerichts...
... und des Stabilitätsgesetzes von 1967.
Schachtschneider: Exakt! Und das verteidige ich genau wie Wilhelm Hankel und Wilhelm Nölling, da sind wir ein Herz und eine Seele.
Im Konflikt zwischen EZB auf der einen und den europäischen
Regierungschefs auf der anderen Seite würde ich ganz klar für letztere
Partei ergreifen, weil sie auf jeden Fall legitimer sind...
Schachtschneider: ...demokratischer...
...als die nicht legitimierte EZB.
Schachtschneider: Aus demokratischen Gründen ist das ganz klar.
Ein europäischer Großstaat kann nicht demokratisch sein
Ich möchte auf den Fouchet-Plan von 1961 zu sprechen
kommen, benannt nach de Gaulles Außenminister Christian Fouchet. Es war
de Gaulles Plan einer Europäischen Union mit verschiedenen europäischen
Organen, die aber den nationalen Regierungen und Parlamenten
unterstellt blieben. Die Souveränität oder existentielle Staatlichkeit,
wie Sie sagen, war davon nicht beeinträchtigt. Es war das Gegenkonzept
zu einem supranationalen Europa. Wäre eine solche Europäische Union,
ein solcher Staatenbund, nicht eine verfassungskonforme Lösung für das
heutige Europa?
Schachtschneider: Ich sehe das genau so. Meine
Vorstellung ist die "Republik der Republiken", der "Föderalism freier
Staaten", hätte Kant gesagt. Die Hoheit der Republiken, der
Mitgliedstaaten, muß erhalten bleiben. Sie müssen, dem eigenen Volk
verantwortlich, eine bestmögliche Politik machen können. Man kann sich
auch ein wenig recken und strecken, um eine gemeinsame Politik zu
machen, wenn sie denn praktisch geboten ist. Ich bin auch ganz
gaullistisch eingestellt.
Aber solche Festlegungen im Vertrag, die viel weiter gehen als die
Festlegungen des Grundgesetzes - das geht nicht. Dieser europäische
Großstaat wird niemals demokratisch sein, kann es gar nicht, schon
wegen seiner Größe. Insofern wird er auch niemals ein Rechtsstaat sein.
Denn es gibt keinen Rechtsstaat ohne Demokratie.
Der europäische Großstaat ist sogar eine Kriegsgefahr. Er will
ja Kriege führen; die Militärverfassung enthält die Verpflichtung zur
Aufrüstung. Er verpflichtet sich, für den Frieden der Welt zu sorgen,
neben den Vereinigten Staaten. Europa will eine Großmacht sein,
erklärtermaßen - und das heißt, Kriege zu führen, wie die Vereinigten
Staaten sie führen. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen. Ich bin nicht
dafür. Das sind einfach völkerrechtswidrige Kriege. Der Irakkrieg war
ein Angriffskrieg, das sagen fast alle Völkerrechtler in Deutschland.
Ich habe mich dazu auch öffentlich geäußert.
Geboten ist einzig und allein die Verteidigung. Man kann auch
ein Bündnis eingehen, aber es darf nicht allzu mächtig werden. Große
Staaten gefährden immer andere kleinere, schwächere, und ein solcher
Großstaat ist eine Gefährdung anderer Staaten in dieser Welt. Ich bin
Anhänger der kleinen Einheit. Die Schweiz kann sich auch verteidigen,
obwohl sie klein ist. Sie ist lange nicht angegriffen worden, und sie
wird auch nicht angegriffen werden.
Der Irakkrieg war natürlich ein gewaltiges Motiv für den
europäischen Integrationsprozeß. Herr LaRouche hat sehr nachdrücklich
vor unüberlegten Schritten in dieser Richtung gewarnt. Wir haben China.
Rußland ist immer noch da, und es ist gut, daß es da ist. Wir haben
Europa, wir haben Amerika und noch einige andere Regionen der Welt, von
denen viele immer ärmer werden. Das Dringendste ist daher eine
Entwicklungsstrategie, damit man aus dem erdrückenden Zustand der
Verelendung - der "failed states", wie es heißt - herauskommt. Herr
LaRouche nennt diesen Ansatz einen neuen Westfälischen Frieden, Frieden
durch gemeinsame Entwicklung. Das Konzept muß sein, daß man seine
eigenen Interessen sozusagen im Lichte des Weltgemeinwohls wahrnimmt.
Regionale Entwicklungsbündnisse sind in Ordnung, aber sie müssen das
Gesamtwohl im Auge haben und sich nicht gegen andere Weltregionen
richten.
Schachtschneider: Ein europäischer Großstaat
wird alle freiheitlichen Institutionen schleifen: den Föderalismus, den
Kommunalismus und viele anderen Institutionen wie z.B. freie Berufe,
Universitäten, usw. Die Welt wird nicht so sein, wie sie der
Neoliberalismus, der Neokapitalismus beschreibt. Es wird eine ganz
andere Welt sein. Die Menschen werden unterdrückt werden. Aber auch der
globalisierte Kapitalismus der Ausbeutung wird ein Ende haben. Die
Menschen werden dagegen stimmen, auch bei europäischen Wahlen. Dann
sind alle freiheitlichen Organisationen verloren, weil die europäische
Politik, zumal der Marktfundamentalismus mit dem Wettbewerbswahn, ihnen
ein Ende bereitet haben wird. Deswegen hat man es auch so furchtbar
eilig, denn man weiß genau, daß diese Form des Kapitalismus keine
dauerhafte Angelegenheit ist.
Der Mittelweg, was Erhard die "Soziale Marktwirtschaft" nannte,
oder was ich "die marktliche Sozialwirtschaft" nenne, scheint mir das
Richtige zu sein. Mit vielen Republiken, vielen Institutionen, in denen
die Menschen sich beruflich und auch sonst entfalten können. Ein
solcher Pluralismus ist auch ein Stück Freiheit. Das wird nun alles
eingeebnet. Die Unterschiede werden nivelliert. Die
Hauptverkehrssprache in Europa wird beispielsweise nicht die deutsche
sein, was ich für einen Kulturverlust halten würde.
Ich bin allemal gegen den Großstaat. Die Lösung de Gaulles,
L'Europe des Patries, l'Europe des etats, erscheint mir richtig, auch
im Sinne der Freiheit. Der Großstaat wird niemals freiheitlich sein.
Verbund der Nationalbanken statt EZB
Jacques Cheminade, unser Mann in Frankreich, hat im Rahmen der Referendumsdebatte um die EU-Verfassung ein Flugblatt
verbreitet, in dem er erstens die EU-Verfassung Punkt für Punkt
zerpflückt und dann zweitens konstruktive Vorschläge macht. Neben einer
Investitionsoffensive in eurasische Infrastrukturprojekte ist dabei ein
ganz wichtiger Punkt, die Europäische Zentralbank durch einen Verbund
von Nationalbanken zu ersetzen. Wie beurteilen Sie als Professor für
öffentliches Recht die Nationalbankfrage, auch in bezug auf die
Bundesbank?
Schachtschneider: Verbund hieße: Eigenständigkeit der Nationalbanken? Daß die nationalen Banken die Verantwortung haben für die Währung?
Dabei orientiert sich der Begriff "Nationalbank" an dem
ursprünglichen Konzept der amerikanischen Nationalbank unter Alexander
Hamilton, daß das Geld von vornherein unter dem Gesichtspunkt von
Aufbau und Entwicklung in Umlauf gebracht wird, wie wir es hier von der
Kreditanstalt für Wiederaufbau kennen. Die Nationalbank wäre sozusagen
ein Motor der nationalen wirtschaftlichen Entwicklung.
Schachtschneider: So sollte es sein. Ein Land
kann volkswirtschaftlich nur mit einem eigenständigen Kredit- und
Finanzsystem reüssieren. Das haben wir aus der Hand gegeben. Die
Entwicklung der entwicklungsbedürftigen Länder - Afrika usw. -
funktioniert deswegen nicht, weil sie kein eigenständiges Finanzsystem
haben. Die Kreditierung von außen hat diese Länder in noch größeres
Unglück gestürzt. Die eigene Geldhoheit, die eigene Kredit- und
Währungshoheit erscheint mir unverzichtbar für einen Staat. Schon im
Maastricht-Prozeß habe ich vorgetragen, daß es zur existentiellen
Staatlichkeit gehört. Deswegen haben wir auch den Europrozeß geführt.
Eine solche Nationalbank wäre demokratisch eingebunden. Die
Bundesbank unterscheidet sich wesentlich von der jetzigen Europäischen
Zentralbank, denn die Bundesbank war vom Gesetzgeber abhängig. Der
Gesetzgeber konnte ihr andere Ziele geben und andere Instrumente
vorschreiben. Die EZB dagegen ist völlig unabhängig. Für sie gilt nur
der Vertrag. Der Geldpolitik mangelt die Möglichkeit, auf die
nationalen volkswirtschaftlichen Gegebenheiten zu reagieren, die
Möglichkeiten, durch Aufwertung, Abwertung usw. Fehlentwicklungen
abzufangen. Infolgedessen wird die Flexibilität in der Lohnpolitik
gesucht. Es bleibt auch angesichts der Fehlkonstruktion der
Währungsunion nichts anderes übrig.
Ein Verbund hieße Abstimmen der Politik. Das wäre in Ordnung,
solange die eigene Hoheit gewahrt bleibt. Ich bin sehr für Verbund, für
den Staatenverbund bei eigener Verantwortung für die Politik. Deshalb
darf es keine durchgreifenden Organe geben auf der sogenannten
supranationalen Ebene, die die Politik bestimmen! Sie muß immer auf der
nationalen Hoheit beruhen und sollte sich einer praktischen Vernunft
des Miteinanders befleißigen. Das wäre ein Stück politischer Kultur!
Was das internationale Währungs- und Kreditsystem betrifft,
ist ja ohnehin eine Reorganisation fällig. Was ansteht, ist ein Neues
Bretton Woods, wofür wir uns einsetzen. Das bestehende System ist an
sein Ende gekommen, es geht so einfach nicht weiter.
Schachtschneider: Es muß ein Neues Bretton
Woods geben, ja. Ich habe keinen Zweifel daran, daß ein Währungsschnitt
kommt. Ich rechne ohnehin damit, daß die Amerikaner eine neue
Währungspolitik machen werden, sich eine neue Währung geben oder den
Dollar neu bewerten werden, um sich auf diese Weise der riesigen
Defizite und Dollarschulden zu entledigen.
Unsere Idee eines Neuen Bretton Woods ist eine grundsätzlich andere...
Schachtschneider: Das kann ich mir denken.
Die Sache des Volkes
Abschließend möchte ich auf Ihr Buch über die
Republik "Res publica res populi" zu sprechen kommen. Was ist das
Wichtigste an der Republik?
Schachtschneider: Die Freiheit! Aber Freiheit
verstehe ich als politische Freiheit, das ist kantianisch konzipiert,
durch und durch. Die Freiheit ist die Wirklichkeit des Rechts, und die
bedarf des Staates. Freiheit heißt mit den anderen im Recht leben,
d.h., man muß auch zum Recht finden, das Recht erkennen und als
allgemeines Gesetz verbindlich machen. Das ist Rousseau! Das allgemeine
Gesetz, das niemanden verletzt, weil jeder Autor dieses Gesetzes ist,
weil jeder das Gesetz gibt. Das allgemeine Gesetz ist immer das Gesetz
aller.
Das ist eine radikaldemokratische Lehre der Gesetzgebung durch
wirklich alle, eine andere Art von Repräsentation, die in keiner Weise
verträglich ist mit dem Parteienstaat, sondern die
Gewissensverpflichtung des einzelnen Abgeordneten ernst nimmt. Der
Abgeordnete muß dann diese innere Freiheit, die Verpflichtung des
Sittengesetzes, repräsentieren. Er muß in "stellvertretender
Sittlichkeit" - das ist meine Formulierung - das Gesetz geben.
Sittlichkeit hat ein Gesetz, den kategorischen Imperativ:
Handle jederzeit nach einer Maxime, von der du wollen kannst, daß sie
ein allgemeines Gesetz sei. Also: Achte den andern als Menschen und
lebe mit ihm im Recht, das aber gemeinsam gefunden wird. Diese Art von
Sittlichkeit können Sie auch übersetzen - sehr christlich - als: Liebe
deinen Nächsten wie dich selbst. Der kategorische Imperativ ist nichts
anderes als das christliche Liebesprinzip, und das heißt eben, den
anderen als Menschen achten und ihn nicht unterdrücken.
Das heißt Republik für mich, und kann nur in den vielen kleinen Einheiten, wie schon angesprochen, verwirklicht werden.
Herr Professor, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Schachtschneider: Gern geschehen! Wo ist die Stunde, die mir das ZDF oder die ARD geben?
Ein paar klärende Sätze
Ich muss nicht Verständnis aufbringen für die Sorgen und Ängste von Menschen, die offenbar zu kalt und gefühlsverarmt sind, um zu erkennen, welche Ängste ihre instinktlosen Demonstrationen bei Flüchtlingen und Einwanderern auslösen.
Ich muss nicht verstehen, warum Jahre nach dem Mauerfall Menschen gegen Ausländer auf die Straße gehen, nur weil sie nach über zwei Jahrzehnten nicht kapiert haben, womit Deutschland sein Geld und seinen Wohlstand verdient: mit Internationalität.
Ich muss nicht ertragen, dass eine Demonstrantin in Dresden in die Kamera spricht: “Wir sind nicht ’89 auf die Straße gegangen, damit die jetzt alle kommen” während sie so aussah, als sei sie ’89 nur auf die Straße gegangen, um bei ihrem Führungsoffizier die zu verpfeifen, die wirklich gingen. Diese Demonstrationen “Montagsdemonstrationen” zu nennen, ist eine weitere Instinktlosigkeit gegenüber denjenigen, die ’89 für Freiheit und offene Grenzen auf die Straße gingen.
Ich muss nicht akzeptieren, dass Menschen, die seit Jahrzehnten direkt und indirekt Transferleistungen in bisher ungekannten Höhen entgegengenommen haben, nun nicht einmal Flüchtlingskindern ein Dach über dem Kopf gönnen.
Ich muss nicht wie CSU und manche in der CDU die Fehler vor allem dieser beiden Parteien aus den 60er bis 90er Jahren wiederholen und diesen eiskalten Demonstranten auch noch verbale Zückerchen zuwerfen – von AfD und der anderen braunen Brut ganz zu schweigen.
Ich muss nicht christlich sein zu Menschen, die angeblich die christliche Tradition verteidigen, um dann ausgerechnet zur Weihnachtszeit Hass und Ausgrenzung zu predigen.
Ich muss nicht nach Ursachen suchen, um den niedersten Instinkt, zu dem die menschliche Rasse fähig ist, zu erkennen: Das Treten nach unten und das Abwälzen persönlicher Probleme und Unfähigkeiten auf willkürlich ausgewählte Sündenböcke.
Ich muss nicht ertragen, dass Menschen, die seit Jahren den Hintern nicht bewegt bekommen, ausgerechnet dann aktiv werden, wenn es gegen Minderheiten geht.
Ich muss nicht daran erinnern, dass die deutschen sozialen Sicherungssysteme jedes Jahr Milliarden EUR netto durch Einwanderer und deren Nachfahren eingenommen haben – und dass diese Gelder am Ende dem hetzenden Pöbel auch noch die Rente zahlen werden.
Ich muss nicht diplomatisch sein, sondern so, wie noch viel mehr Menschen in Deutschland sein sollten, offensiv:
Braune Brut von Deutschland: Ihr seid die Schande Deutschlands.
Unbarmherzig, hasserfüllt, menschenfeindlich und aus ganzem Herzen verachtenswert.