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JW - Zwei Jahre Hartz IV am Beispiel der Stadt Dortmund.
Teil I: Nichtlohnarbeit wird mit Ein-Euro-Jobs über den klassischen Reproduktionsbereich Hausarbeit ausgeweitet
Von Irina Vellay
Seit 1. Januar 2005 sind bundesweit Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nach Hartz IV eingerichtet worden. Anspruch dieses Sozialgesetzes ist es, Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt wieder einzugliedern. In einer Studie von Irina Vellay, Wolfgang Richter und anderen wird gefragt, ob diese Zielstellungen bisher realisiert werden konnten. Nach einer Analyse der Ein-Euro-Jobs in Dortmund stellt Irina Vellay im ersten Teil des hier veröffentlichten Beitrags fest, daß es sich bei solchen Anstellungsverhältnissen überhaupt nicht um Qualifizierungsmaßnahmen handelt, vielmehr soll die notwendige gesellschaftliche Reproduktion, wie Krankenpflege oder Inschußhalten öffentlicher Parkanlagen, auf diese Weise geleistet werden. Morgen lesen Sie im zweiten Teil von Wolfgang Richter, wie mit Ein-Euro-Jobs der Wohlfahrtsstaat in einen Workfare state umgewandelt werden soll, in dem Arbeit Pflicht ist, um Sozialleistungen auf dem Niveau des Existenzminimums zu erhalten.
Mit der Einführung einer Dienstpflicht zur gemeinnützigen Arbeit für alle, die im Rahmen der Warenproduktion überflüssig sind, wird gegenwärtig ein wesentlicher Eckpfeiler des neoliberalen Workfare state etabliert. Workfare bezeichnet in diesem Zusammenhang die Pflicht zur Arbeit, um vom Staat, state , Sozialleistungen auf dem Niveau des Existenzminimums zu erhalten. Die Zwangsmechanismen in der bürgerlichen Gesellschaft werden erweitert. Ihr Freiheitsversprechen gerät immer mehr in Widerspruch zu einem rigiden Zwangsapparat, bestehend aus zerstörerisch entgrenzten Erwerbsarbeitsverhältnissen und der Dienstpflicht zu gemeinnütziger Arbeit für die auf dem Arbeitsmarkt Überflüssigen .
Gleichzeitig entstehen gerade in Städten und Regionen Zonen der Überflüssigkeit , die weitgehend aus den Kapitalverwertungsprozessen herausfallen, und Zonen verschärfter Ausbeutung mit hohem Renditedruck. Diese Fragmentierung der Gesellschaft erfordert immer mehr direkte Zwangsinstrumente, um den systemischen Zusammenhang in diesem zerfallenden Puzzle aufrechtzuerhalten. Die angeheizten Existenzängste der Menschen führen zu mehr Gewalt in der Gesellschaft und werden wiederum mit verschärfter staatlicher Repression beantwortet. In dieser Phase des Zerfalls kommt den Ein-Euro-Jobs auf dem Weg zu einer allgemeinen Dienstpflicht, einer Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit eine Katalysatorfunktion zur Absicherung der gesellschaftlichen Reproduktion und der auf direkten Zwang gestützten gesellschaftlichen Integration der Überflüssigen zu. Am Beispiel der Ruhrgebietsstadt Dortmund zeigen sich deutlich die Widersprüche zwischen der Lyrik neoliberaler Propaganda, den gesetzlich vorgegebenen Ansprüchen und der realen Umsetzungspraxis in der Kommune.
In offenbar großer Einhelligkeit hatten sich die Akteure der lokalen Arbeitsmarktpolitik zusammengefunden, um Regeln für das neue arbeitsmarktpolitische Instrument der Ein-Euro-Jobs zu entwickeln. Der Dortmunder Leitfaden zur Umsetzung von Arbeitsgelegenheiten stellt den Dortmunder Konsens zwischen Arbeitsverwaltung, Kommune, Unternehmern und Gewerkschaften dar. Arbeitsgelegenheiten sollen danach als Baustein eines arbeitsmarktlichen Gesamtkonzeptes die Eingliederung in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt vorbereiten und dienen dazu, die soziale Integration zu fördern sowie Beschäftigungsfähigkeit aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen. Darüber hinaus sollen sie dazu beitragen, die Qualität im Bereich sozialer Dienstleistungen zu steigern und bestehende gesellschaftliche Problemlagen zu mindern. Die Arbeitsgelegenheiten dienen der Teilhabe an und der Integration in die Gesellschaft und der Wahrung der Menschenwürde.
Keine Qualifizierungsmaßnahme
Die Vermittlungsquote aus den Arbeitsgelegenheiten in den ersten Arbeitsmarkt liegt in Dortmund nach unseren Beobachtungen bei zirka fünf Prozent und ist damit verschwindend gering. Weitere zirka fünf Prozent können durch den Einstieg in eine Kettenmaßnahme in der Förderung gehalten und damit aus der Arbeitslosenstatistik eliminiert werden. Männer sind hierbei offenbar erfolgreicher als Frauen, nicht zuletzt weil sie häufiger eine Berufsausbildung aufweisen.
Es zeichnet sich ab, daß der Übergang aus einem öffentlich organisierten Reproduktionssektor in den ersten Arbeitsmarkt genausowenig umstandslos gelingt wie aus dem privaten Haushalt ohne weitere Ausbildung. Analog zu anderen Formen erzwungener Arbeit ist die Produktivität im Rahmen der Dienstverpflichtung als Ein-Euro-Jobber eher gering. Sie liegt nach Auskünften sozialgewerblicher Träger durchschnittlich bei etwa einem Drittel der marktüblichen Leistung. Da die Arbeitskraft kaum mehr einen Marktpreis aufweist, sondern nur noch einen fiktiven Unterhaltsbedarf hat und ohnehin im Überfluß vorhanden ist, läßt sich die niedrige Produktivität jedoch durch ausgeweiteten Personaleinsatz oder längere Arbeitszeiten kompensieren. Das niedrigere Professionalitätsniveau kann bei weniger komplexen Anforderungen ebenfalls mit einem höheren Zeitaufwand aufgefangen werden. Öffentliche Reproduktionsarbeit erfüllt also zwar das Kriterium der Zusätzlichkeit wie des öffentliches Interesses – sie ist regelmäßig außerhalb von Warenproduktion und Markt angesiedelt –, sie leistet aber keine Sozialisation als warenförmige Arbeitskraft.
Eine Planung der Weiterbildung für den einzelnen findet nicht statt. Die Qualifizierungsangebote bestehen in Einarbeitung und Durchführung von Alltagstätigkeiten. Ihr überwiegender Teil bezieht sich auf das Einüben von sozialen Tugenden wie Pünktlichkeit, regelmäßiges Erscheinen am Arbeitsort und gewissenhaftes Ausführen übertragener Aufgaben. Ergänzend werden Bewerbungstraining, Erste-Hilfe-Kurse, Sprach- und Alphabetisierungskurse, EDV- und Internet-Grundkenntnisse usw. sowie für Jugendliche Schulabschlüsse und Berufsorientierung angeboten. Fachliche Qualifizierungen, die für berufliche Arbeit unerläßlich sind, fehlen. Allerdings haben die verpflichtenden Bildungsangebote insbesondere bei Migranten den Effekt einer Alphabetisierungskampagne, für die unter anderen Vorzeichen nie Mittel bereitgestellt worden wären.
Demgegenüber nimmt berufliche Ausbildung regelmäßig zwei bis drei Jahre in Anspruch, an die sich in der Biographie auch kürzere ergänzende Weiterbildungen anschließen können. Maximal 120 Stunden Anlernen in einem Tätigkeitsfeld und Benimmregeln für Ein-Euro-Jobber ersetzen keine berufliche Ausbildung und eröffnen keine Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt, weil selbst im Niedriglohnsektor bereits 75 Prozent der Beschäftigten über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen.
Die Menschen in Arbeitsgelegenheiten werden als Tätige mit Betreuungsbedarf eingeordnet. Die Vertragsregelungen sind durch das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis mit der Arbeitsgemeinschaft der Arbeitsagentur und der Kommune (ARGE) (als Leistungsträgerin und Bestellerin der Arbeitsgelegenheiten), den Maßnahmeträgern (als Leistungserbringern im Rahmen der Arbeitsgelegenheiten) und den Arbeitslosen (als Leistungsbezieher) komplex und wenig transparent. Sie reichen von Leiharbeit über die Lehrwerkstatt bis hin zu Quasiarbeitsverhältnissen, bei denen die Ein-Euro-Jobber im üblichen Betriebsablauf der Maßnahmeträger eingesetzt werden. Das Hauptkennzeichen der neuen Arbeitsbeziehungen ist die Unausgesprochenheit der vertraglichen Situation.
Asymmetrisches Vertragsverhältnis
Die Träger von Arbeitsgelegenheiten treten den Ein-Euro-Jobbern wie Unternehmen gegenüber, ohne daß dies den realen Vertrags- und Rechtsverhältnissen entspricht. Teilweise wird in den Vereinbarungen zwischen Trägern und Ein-Euro-Jobbern sogar von Direktionsrecht gesprochen. Dadurch wird verschleiert, daß im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis der Maßnahmeträger gegenüber den Ein-Euro-Jobbern die Leistung zu erbringen hat und nicht umgekehrt. Letztere sind Teilnehmer an der Maßnahme und sollen mit deren Abschluß besser für den ersten Arbeitsmarkt qualifiziert sein. Dieses Ziel läßt sich anhand der uns vorliegenden Vereinbarungen zum berufspraktischen Einsatz in Arbeitsgelegenheiten nur schwer nachvollziehen. Die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Maßnahme und damit zu erreichende Ziele sind nur vage beschrieben und die Leistungen der Träger hierzu bleiben weitgehend unbestimmt. Teilweise wird nicht einmal der Einsatzort oder der durchführende Kooperationspartner benannt. Der konkrete Bezug der angebotenen Maßnahme zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt wird durchweg nicht thematisiert. Man spricht zwar von einem berufspraktischen Einsatz , dieser findet jedoch häufig außerhalb der eigentlichen Arbeitswelt und ohne Leistungsanforderung jenseits der Anwesenheitspflicht statt. Besonders ausführlich sind die von den Ein-Euro-Jobbern einzuhaltenden Regeln und ihre Pflichten in den Vereinbarungen mit den Maßnahmeträgern dargestellt. Ähnlich asymmetrisch ist das Kündigungsrecht ausgestaltet. Die Vereinbarungen zwischen Maßnahmeträgern und Ein-Euro-Jobbern können innerhalb von zwei Wochen oder sogar jederzeit ohne Begründung gekündigt werden. Der Ein-Euro-Jobber kann faktisch nicht kündigen – schon gar nicht ohne Begründung–, ohne Gefahr zu laufen, wegen des Bruchs der Eingliederungsvereinbarung mit der ARGE Leistungskürzungen hinnehmen zu müssen. Teilnehmer können eine Maßnahme allenfalls abbrechen und sind dafür der ARGE Rechenschaft schuldig. Bei nicht vertragskonformem Verhalten drohen den Ein-Euro-Jobbern Sanktionen, die aktuell noch einmal verschärft werden. Für die ARGE hingegen bleibt dies folgenlos. Diese Aberkennung der Vertragsfreiheit und des Status als selbständig handelndes Vertragssubjekt wird begleitet von einer Befehls- und Gehorsamsstruktur , widergespiegelt im Verwaltungsakt. Der Ausschluß von formalisierter Interessenartikulation z.B. durch Personal- oder Betriebsräte verweist die Ein-Euro-Jobber auf informelle Strategien und Bittstellerei, um über persönliche Beziehungen zu den Sachbearbeitern Zugang zu freiwilligen Leistungen der ARGE, Berücksichtigung der eigenen Wünsche oder Schutz vor Sanktionen bei Ermessensfällen zu erlangen.
Die rechtlose Situation der Ein-Euro-Jobber führt in den prekarisierten Verhältnissen zu Entgrenzungen in den Arbeitsbedingungen. Vor allem private Träger ohne entwickelte betriebliche Arbeitsbeziehungen – viele erst in den letzten Jahren unter neoliberaler Prägung entstanden– nutzen Ein-Euro-Jobber zur Gewährleistung ihres Tagesgeschäfts und zur Absicherung des zum Teil hohen Wachstums des Vereins. Sie müssen über die festgelegte Arbeitszeit von maximal 30 Stunden wöchentlich in erheblichem Umfang unbezahlte Überstunden leisten. Das können durchaus bis zu 30 Stunden sein, die oft umstandslos zum Ehrenamt erklärt werden. Ein Freizeitausgleich ist äußerst schwierig. Die zusätzliche Arbeit gilt als Dankeschön an den Verein. Hinzu kommt eine extreme Flexibilisierung des Arbeitstages. So werden in einer noch jungen sozialen Einrichtung Arbeitstage von bis zu 17 Stunden oder auch mehrfach aufgesplittete Arbeitsphasen über den Tag verteilt verlangt. Unausgesprochen gilt eine Rufbereitschaft, falls andere Mitarbeiter ausfallen. Ähnlich der Allverfügbarkeit der Hausfrau soll der Ein-Euro-Jobber ständig für die Bedürfnisse der Träger bereitstehen, immer gut gelaunt sein und den Dresscode beherrschen.
Die Umsetzung der Dienstverpflichtung orientiert sich insbesondere an der Verwendungsfähigkeit bzw. der Verwertbarkeit der Menschen und stützt sich dabei vor allem auf die vorhandenen Erfahrungen und Kenntnisse. Entsprechend werden den Jugendlichen wie den Erwachsenen geschlechtsspezifische Angebote gemacht, die die traditionellen Rollenzuschreibungen verfestigen. Das Stärken und Schwächen -Profiling arbeitet ein solches Muster vorhandener verwertbarer Kompetenzen heraus. So landen z. B. in der Kostümschneiderei eines Trägers ausschließlich junge Frauen zur beruflichen Orientierung. Andererseits werden in der Grünpflege wie beim öffentlichen Müllaufsammeln oder im Garten-, Land- und Baubereich überwiegend Männer eingesetzt.
Welche Schlußfolgerungen lassen sich ziehen, wenn die vorliegenden Ergebnisse so wenig den erklärten Zielstellungen entsprechen? Als arbeitsmarktpolitisches Instrument sind die Ein-Euro-Jobs faktisch wirkungslos – sie schönen nur die Erwerbslosenstatistik. Soziale Integration in und Teilhabe an einer Warengesellschaft kann nur zu dem Armutsniveau des Arbeitslosengeld II und der Maßgabe bedingungslosen Gehorsams angeboten werden. Auch wenn jeder heute weiß, daß Gehorsam keine gute Ausrüstung ist, um sich in einer komplexen Gesellschaft erfolgreich zurechtzufinden. Der Anspruch, die Qualität im Bereich sozialer Dienstleistungen zu steigern und bestehende gesellschaftliche Problemlagen zu mindern, läßt sich ohnehin mit ungelernter Arbeit kaum angemessen erfüllen. Die Untersuchungsergebnisse und die aufgedeckten Widersprüche weisen daher eher in eine andere Richtung.
Ausweitung unbezahlter Tätigkeit
Die sogenannte Hausfrauisierungsthese von Veronika Bennholdt-Thomsen, Maria Mies und Claudia von Werlhof erfährt ganz offenbar nach mehr als 20 Jahren eine späte Bestätigung in den Kernländern des Kapitalismus: Die Hausfrau ist der klassische Nichtlohnarbeiter, deren Arbeit dennoch vom Kapital angeeignet wird. Nach diesem Modell teilt der Kapitalismus alle Arbeit auf in Lohnarbeit und Nichtlohnarbeit. Weltweit ist diese Nichtlohnarbeit oder hausfrauenähnliche Arbeit die allgemeinste Basis der Kapitalakkumulation. Das Charakteristikum dieser Arbeit: Sie wird angeeignet, nicht gekauft. Darum nimmt auch diese Arbeit in der Krise zu, nicht die Lohnarbeit. Und: Je mehr Arbeitskraft durch Technik verdrängt wird, desto mehr werden Menschen nicht etwa absolut überflüssig, sondern desto mehr ist das System darauf angewiesen, auf andere Weise, in anderen Bereichen menschliche Arbeitskraft zum Einsatz zu bringen, und zwar möglichst massenhaft. 1
In dieser Ausgangslage wundert es nicht, daß die Hausarbeit auch für Reproduktionsaufgaben in öffentlicher Verantwortung entdeckt wird. Die neoliberale Restrukturierung der Gesellschaft ist in der Sphäre der Reproduktion angekommen. Die Pflicht zur öffentlichen Hausarbeit bildet eine wesentliche Stütze bei dem Versuch, die entfaltete Krise der Gewährleistung gesellschaftlicher Reproduktion zu bearbeiten.
Dennoch ist Hausarbeit bis heute ein Reizwort: Die unbezahlte Arbeit zur Versorgung der eigenen Alltagsbedürfnisse wie die der Familie in privaten Haushalten ist im gesellschaftlichen Ansehen auf der untersten Stufe angesiedelt. Die Abhängigkeit der Hausfrau vom Familienernährer ist lediglich mit einem Anspruch auf Unterhalt, ein dem Haushaltseinkommen angemessenes Taschengeld und eine über die Ehe abgeleitete Sozialversicherung verknüpft. Im Gegenzug wird die eigene Arbeitskraft nahezu unbegrenzt im Haushalt und zur Betreuung von Kindern oder auch Eltern zur Verfügung gestellt.
Die Umsetzung der Dienstverpflichtung in den Ein-Euro-Jobs weist deutliche Analogien zu der gesellschaftlichen Konstruktion der Hausfrau auf: Das Hauptaufgabenfeld ist Reproduktionsarbeit in der Pflege und Betreuung von Menschen wie Kindererziehung und Altenpflege, sind Reparaturen und der Unterhalt öffentlicher bzw. öffentlich-rechtlicher Einrichtungen und Anlagen, sind hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Kochen, Aufräumen und Putzen. Die Dienstverpflichteten erhalten Unterhalt und Mehraufwandsentschädigung statt Lohn oder Gehalt. Sie werden für die Tätigkeiten, die sie ausüben, nicht ausgebildet, sondern nach Bedarf im Alltagsvollzug angelernt und erwerben aus der Dienstverpflichtung keinen eigenen Rentenanspruch. Der reglementierte Unterhalt des ALG II wird im Alter zum Sozialgeld als Grundsicherung (soweit kein eigenes Vermögen oder ältere Rentenanwartschaften bestehen).
Hausarbeit im öffentlichen Raum
Hausarbeit im öffentlichen Raum paßt nahtlos in das Konzept der neoliberalen Stadt mit ihrem Entertainmentcharakter für die Besitzbürger und den möglichst unsichtbaren Rückseiten für die neuen Dienstboten. Sie ist eine weitere Facette öffentlicher Ordnungspolitik, die in besonderer Weise symbolisch die Handlungsfähigkeit des Staates unterstreicht.
Hausarbeit im öffentlichen Raum bedeutet für die befragten Mitarbeiter von sozialen Trägern und der ARGE Dortmund Aufsicht und Ordnung halten, Reinigung und Grünpflege. Wie mit Hausarbeit wird man mit diesen Tätigkeiten nie fertig. Die Wahrung öffentlicher Ordnung ist das bestimmende Thema. Diese Bemühungen, eine saubere und von sozialadäquatem Verhalten geprägte Umgebung zu schaffen, werden von den Bürgern der Stadt positiv wahrgenommen und vermitteln den Eindruck von sozialer Stabilität. Entsprechend der Logik der Gebrauchssphäre wird von den befragten Experten vorgeschlagen, die Bedürfnisse der Stadt zum Fokus öffentlicher Hausarbeit zu machen. Umgekehrt kann mit einer solchen gemeinnützigen Anforderung dem Bedürfnis vieler bislang ausgegrenzter Menschen nach sozialer Beachtung entsprochen werden.
Zur Wahrung der Hierarchie zwischen Lohnarbeit und Dienstverpflichtung ist es jedoch notwendig, diese Tätigkeiten gegenüber der Lohnarbeit als minderwertig zu kennzeichnen. Anders als im Arbeitshaus früherer Zeiten werden solche Tätigkeiten im Dienste der Stadt und ihrer Infrastrukturbetriebe öffentlich ausgestellt. Die modernen Dienstboten dürfen und sollen als Ordnungsgeister im öffentlichen Raum anwesend sein und erfahren so statusbezogen soziale Anerkennung ihrer Existenz. Dabei treten Dienen und Bedientwerden als soziale Platzanweiser in der Gesellschaft wieder deutlich hervor. Mit der Uniform als Arbeitskleidung und Dresscode für die Hilfskräfte in kommunalen Diensten wird den Ein-Euro-Jobbern überdies das den von staatlicher Unterstützung unabhängigen Bürgern zugestandene Privileg der Individualität genommen. Die Uniform ist Ausdruck eines besonderen Zwangs, sich regelgerecht in der Öffentlichkeit zu verhalten.
Hieran zeigt sich die Ambivalenz dieser Konzeption in einer Gesellschaft, in der soziale Anerkennung und Macht über Geld verteilt werden. Niemand soll etwas ohne Leistung bekommen. Das würde das Prinzip der Leistungsgesellschaft untergraben. Daher wird als verbreitete öffentliche Meinung kolportiert, daß es gerecht sei, wenn man nichts ohne Gegenleistung bekommt. Andererseits darf es für gemeinnützige Arbeit nur ein Taschengeld sein. Für die Ein-Euro-Jobber bleibt dieses Angebot zur Reintegration zwiespältig. Sie müssen öffentlich unter Beweis stellen, daß sie bereit sind, auch zu sehr schlechten Konditionen zu arbeiten, um sich auf unterster Stufe als würdige Mitglieder der Gesellschaft zu erweisen.
Die Arbeitsgelegenheiten sind im Sozialgesetzbuch II als arbeitsmarktpolitisches Instrument konzipiert. Sie sind daher in ihren Wirkungen auf den Arbeitsmarkt zu beurteilen und dürfen auch nicht für andere, z. B. sozialpolitische oder fiskalische Zwecke der Kommunen genutzt werden. Die Realität ist jedoch eine völlig andere. In der Alltagspraxis der Kommunen werden die Widersprüche eher situativ, also pragmatisch im Tagesgeschäft bearbeitet. Die Kommunen sehen sich wie die anderen lokalen Akteure der Wohlfahrtspflege, Unternehmer oder Gewerkschaften mit der noch kaum abzuschätzenden Herausforderung konfrontiert, daß der von ihnen unverstandene neue Sektor öffentlich mittels Zwang regulierter unbezahlter Arbeit vielfältige Rechts- und andere komplexe Probleme erzeugt.
So tritt die Konstruktion von Über- und Unterordnung im öffentlichen Recht bei den Ein-Euro-Jobbern an die Stelle formal gleicher Vertragsparteien und etabliert ein Patronatsverhältnis. Die ausgeprägte Asymmetrie zwischen den Ein-Euro-Jobbern und der staatlichen Gewalt erlaubt den direkten Herrschaftszugriff auf die Betroffenen und verweist damit auf eine gesellschaftliche Verfaßtheit außerhalb der Warenproduktion. Arbeitsbeziehungen in solchen Kontexten gleichen einem Dienstverhältnis hausrechtlicher Art vorkapitalistischer Zeit. Zudem wird das System einer nicht bedarfsdeckenden Regelleistung durch ein Versorgungssystem entwerteter, überflüssiger Lebensmittel und Gebrauchsgüter (das Tafelmodell ) ergänzt. Diese in noch unscharfen Konturen bereits aufscheinende gesellschaftliche Zone ohne Wertgesetz, reguliert über unmittelbare Herrschaft, eröffnet offenbar einen Weg, die anvisierte drastische Ausgrenzung der Überflüssigen vom Warenkonsum beherrschbar zu halten. Der Transfer des Hausarbeitsverhältnisses in die öffentliche Sphäre, von der privaten in die öffentliche Abhängigkeit und Unterwerfung, erlaubt die Absorbierung der für die Warenproduktion überflüssigen Menschen und deren Instrumentalisierung für die gesellschaftliche Reproduktion.
1 Claudia von Werlhof/Maria Mies/Veronika Bennholdt-Thomsen: Frauen, die letzte Kolonie – Zur Hausfrauisierung der Arbeit, Reinbek 1983, S. 8 und S. 128
Unsere Autorin, Irina Vellay (Tischlerin, Dipl.-Ing.), forscht zu unbezahlter Arbeit und Stadtentwicklung. Sie ist Mitautorin der Studie Der Workfare State – Hausarbeit im öffentlichen Raum? , Dortmund 2006
Teil II (und Schluß): Wie Kommunen mit Ein-Euro-Jobs riesige Summen an Personalkosten einsparen können
Von Wolfgang Richter
Die Sozial- und Arbeitspolitik der Koalitionen von SPD und Grünen sowie von SPD und CDU/CSU wurde seit 2002 von Peter Hartz, damals Personalvorstand der Volkswagen AG, nach dem Modell der aus dem vorangegangenen Jahrhundert fordistisch überkommenen Autoproduktion entworfen und nach ihm benannt: Hartz I bis IV. Das Programm ist eine Folge von Experimenten mit Langzeitarbeitslosen und deren fehlendem Zugang zum Arbeitsmarkt. Das Scheitern der Experimente Hartz I bis III wurde neuerdings von Amts wegen gutachterlich abgerechnet und offiziell festgestellt. Das Experiment Hartz IV läuft mit dem 1. Januar 2007 genau zwei Jahre. Es geht in dieser Versuchsanordnung um Dienstverpflichtung zur Arbeit, um Einziehung von Langzeitarbeitslosen in Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung in Höhe von einem Euro, gelegentlich auch anderthalb, selten zwei Euro pro Stunde.
Umwandlung in Workfare state
Zu Ausführenden des Experiments wurden die Kommunen und die gemeinnützigen und öffentlich-rechtlichen Organisationen der Wohlfahrtspflege bestimmt. Ihnen hat die Politik zugetraut, in der Dienstpflicht die sonst gültigen sozialstaatlichen und arbeitsrechtlichen Standards konfliktfrei zurückzunehmen und sie in Standards für einen modernen Zwang zur Arbeit umzuwandeln.
Private Interessen – Gewerbe und Industrie, Banken und Versicherungen – wurden (bisher) nicht beauftragt. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß sie nicht gewohnt und deshalb auch nicht geübt sind, Dienstverpflichtung zu organisieren. Darin hatten und haben staatliche und staatlich finanzierte Träger immer Bedarf und deshalb auch Übung. Dies macht sie für die Durchführung des Experiments so geeignet. Das in ihm öffentlich formulierte Ziel ist es, arbeitsfähige Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt wieder einzugliedern – und zwar durch einen Dienst in einem gesellschaftlichen Feld, das relativ frei von den Unbilden der kapitalistischen Verwertung und losgelöst vom Chaos der Marktprozesse ist.
Der kapitalistisch organisierte Arbeitsmarkt funktioniert warenförmig; Einsatz von Arbeit ist ihm eine Ware. Nicht verwendbare, also nicht Mehrwert erbringende Ware findet keinen Absatz, die angebotene Arbeitskraft keine Nutzung. Wenn aus diesem Arbeitsmarkt ausgesonderte Arbeitskraft wieder in ihn eingegliedert werden soll, muß sie entsprechend seiner Warenförmigkeit konditioniert werden. Entgegen aller Propaganda der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik tut dies Hartz IV aber dezidiert nicht. Vielmehr organisiert dieses Gesetz die arbeitsfähigen Langzeitarbeitslosen in ein gesellschaftliches Feld, das Warenförmigkeit ausschließt. Hartz IV legt nämlich fest: Die Arbeitsgelegenheiten dürfen nur zusätzlich zur übrigen gesellschaftlich anfallenden Arbeit vergeben werden; der Dienst in ihnen darf nicht warenförmig organisiert sein. Der Dienst in den Arbeitsgelegenheiten darf keinen warenförmigen Einsatz von Arbeit im ersten Arbeitsmarkt verdrängen und muß einem öffentlichen Interesse dienen, das kein warenförmiges sein darf. Aus den so von aller Warenförmigkeit freigestellten Arbeitsgelegenheiten führt systematisch kein Weg in den ersten Arbeitsmarkt. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Sie sind eher Anlaß zu Anekdoten als Hinweise auf strukturell und bewußt hergestellte Erfolge.
Alle vorgeschriebenen Verfahrensweisen in der Umsetzung von Hartz IV stehen dem formulierten Ziel diametral entgegen. Ein Zugang zum ersten Arbeitsmarkt wird den arbeitsfähigen Langzeitarbeitslosen nicht eröffnet, er wird ihnen im Gegenteil verschlossen. Die inzwischen zugunsten der Ein-Euro-Jobs abgeschafften Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hingegen waren auf einen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt orientiert. Sie wurden in Arbeitsprozesse eingebunden und waren kein von ihm abgetrennter Dienst.
Die zwar empirisch beobachtbaren, aber nicht öffentlich formulierten, sondern verdeckten Ziele von Hartz IV sind eben andere: Die Ein-Euro-Jobber führen Arbeiten und Dienstleistungen aus, die notwendig sind, aber warenförmig nicht mehr ausgeführt werden (sollen). Die Arbeiten und Dienstleistungen in diesem Sektor der gesellschaftlichen Reproduktion müssen jedoch staatlich gesichert werden. Diese Sicherung soll mit Hilfe von Arbeits- und Dienstverpflichtungen kostengünstig hergestellt und aufrechterhalten werden. Aus dieser Perspektive rückt ein nichtwarenförmig organisiertes gesellschaftliches Feld erzwungener Arbeit und Dienstleistung ins Blickfeld. Dieses Projekt ist ein radikaler Umbruch, in dem ein Workfare state als Ultima ratio neoliberaler Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik eingeführt werden soll. Der Workfare state bezeichnet im Gegensatz zum Welfare state einen Staat, in dem Arbeit Pflicht ist, um Sozialleistungen auf dem Niveau des Existenzminimums zu erhalten. In der Verfolgung dieses Ziels macht das Experiment Hartz IV Sinn. Zur Einführung werden handhabbare Regelungen formuliert und erste Durchführungsmöglichkeiten eröffnet. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, daß die Bundesregierung eine Evaluation von Hartz IV angekündigt hat. Ihr Zweck wird sein, Erfahrungen aus der Praxis zu formulieren, die Anlaß geben, in der Durchführung von Hartz IV etwa noch vorhandene Freiräume zu schließen und das Anwenden von Zwang gegenüber Langzeitarbeitslosen und Ein-Euro-Jobbern noch umfassender als bisher durchzusetzen.
Hartz IV unterliegt starken Einflüssen von innen und außen und hat in den ersten beiden Jahren höchst unterschiedliche und häufig chaotische Verlaufsformen angenommen. Zu den entstandenen Widersprüchen gehört die Versuchung der Arbeitsgemeinschaft der Arbeitsagentur und der Kommune (ARGE) als Leistungsträger, im Unterlaufen der Regelungen von Hartz IV die Datenbasis ihrer Arbeitslosenstatistik zu schönen und zugleich ihre Zugriffsrechte auszuweiten. Da ist weiterhin die Versuchung aller Maßnahmeträger, im Unterlaufen der Regelungen von Hartz IV je nach ihren Möglichkeiten doch Gewinn aus der Durchführung zu ziehen und die Struktur ihrer Beschäftigung mit Hilfe der Arbeitsgelegenheit neu auszurichten. Drittens kommt die Versuchung der Kommunen als Maßnahmeträger hinzu, durch den massenhaften Einsatz nicht zu entlohnender Arbeitskraft ihre prekäre Haushaltslage zu bessern. Ebenso groß ist die Versuchung der Ein-Euro-Jobber zu hoffen, innerhalb der Regelungen von Hartz IV ihren minimalen Existenzrahmen ausweiten und den versperrten Zugang zum ersten Arbeitsmarkt doch öffnen zu können. Und nicht zuletzt gibt es die Versuchung der Wirtschaft, im Ausnutzen der Regelungen von Hartz IV die tarifvertraglich vereinbarten und sonstigen Rahmensetzungen für die eigene Belegschaft möglichst aufzulösen oder abzusenken.
Kommunen als Vorreiter
In der gegenwärtig experimentellen Phase zur Mobilisierung von Arbeitskräften für den Niedriglohnsektor und die Erprobung einer Dienstpflicht für ALG-II-Bezieher als Strategien gegen Massenarbeitslosigkeit wird eine Verschiedenartigkeit von Arbeitsformen und deren Kombinationen sichtbar, um insgesamt die materielle Existenz der Menschen abzusichern:
1. Existenzsichernde Erwerbsarbeit, mit abnehmender Tendenz und zunehmend auf die Lebensphase zwischen 20 und 40 Jahre eingegrenzt;
2. Kombilohnarbeit als nicht existenzsichernder Niedriglohn mit einem öffentlich getragenen (ALG-II-)Anteil als Aufstockungsbetrag bis zum Existenzminimum des ALG II, mit zunehmender Tendenz;
3. allgemeine Dienstverpflichtung als öffentliche Hausarbeit , ALG II zuzüglich Mehraufwandsentschädigung, die kann umstandslos schwinden, mit zunehmender Tendenz.
In diesem letzten Sektor sind insbesondere die Kommunen engagiert. Sie haben in der Durchsetzung des Vorhabens massive Interessen.
Der Konzern Stadt Dortmund hat sich seit dem Inkrafttreten von Hartz IV von 750 Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung im ersten Jahr auf 1350 im zweiten eingerichtet. Diese Zahl hat der Konzern unabhängig von konkreten Möglichkeiten in seinem Bereich oder vom individuell ermittelten Bedarf der Arbeitslosen in einem Fünfjahresplan mit der ARGE Dortmund vereinbart. Der Kämmerei ging es lediglich um eine verläßliche Kalkulation für diesen Teil ihrer Haushaltsplanung. Die 1350 Arbeitsgelegenheiten sind in der Kommune auf Ämter, Eigenbetriebe und Töchter verteilt. Das Beantragen bei der ARGE, die Durchführung, das Berichtswesen usw. werden zentral vom Sozialamt organisiert. Die nach Zahlen bedeutendsten Einsatzfelder für die Dienstverpflichtung sind: Stadtreinigung, Schulen, Ordnungsdienste, Alten- und Krankenpflege, Kindergärten und -tagesstätten, Kultureinrichtungen u. a. m. In allen Bereichen führen die Ein-Euro-Jobber Hilfs- und Reproduktionsarbeiten aus.
Exemplarisch und in Ausschnitten soll hier der größte Bereich für Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung skizziert werden. Der städtischen Tochter Entsorgung Dortmund GmbH (EDG) sind aktuell 175 Ein-Euro-Jobber zugeteilt. Oberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyer beschrieb auf Anfrage des Linken Bündnisses Dortmund – Parteilose Linke, DKP und SDAJ im Stadtrat am 9. November 2006, was sie tun müssen: Die Maßnahmeteilnehmer übernehmen ausschließlich Tätigkeiten, die freiwillig und zusätzlich über die gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Aufgaben der Straßenreinigung hinausgehen. Ziel ist hierbei eine Verbesserung des Stadtbildes zur Steigerung der Lebensqualität. Ein Einsatz erfolgt im Rahmen der seit zehn Jahren mit Erfolg laufenden Aktionen Ganz Dortmund eine saubere Sache. Zur Gewährleistung der vollen Einsatzfähigkeit der Teams ist insgesamt eine höhere Zahl von Arbeitsgelegenheiten erforderlich. Wie ausgeführt werden die Ein-Euro Jobber im Rahmen einer sogenannten Ästhetischen Reinigung eingesetzt. Diese findet völlig unabhängig von den Kernaufgaben des Personals bei der EDG statt. Das bei ihr beschäftigte Personal im Bereich der Straßenreinigung wird ausschließlich im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen und satzungsmäßig vorgesehenen Straßenreinigung eingesetzt. Bei diesen Arbeiten steht der gesetzlich verankerte Aspekt der Verkehrsicherheit im Vordergrund. Die Einsatzplanung und Dienstaufsicht werden von Mitarbeitern der EDG durchgeführt. Die Bearbeitung der Aufgaben durch die Ein-Euro-Jobber erfolgt weitgehend selbständig. Eine fachliche Anleitung ist gewährleistet. Nach Hartz IV dürfen die Ein-Euro-Jobber nicht die Arbeit der Beschäftigten ausführen. Der Chef der Verwaltung muß verschleiern, daß dies hier doch geschieht. Zu diesem Zweck erfindet er das Ästhetische Reinigen als eine zusätzliche Kategorie im Reinigungsvorgang. In Wahrheit handelt es sich um einen niedrigqualifizierten Teilvorgang im insgesamt hochtechnisierten Arbeitsprozeß. Im öffentlichen Raum der Stadt kann das ästhetisch reinigende Personal, das im wesentlichen den Straßen-, Platz- und Gehwegraum zu Fuß und von Hand vorreinigt, und das satzungsmäßig reinigende Personal, das in der Regel mit Einsatz von Fahrzeug- und Maschinentechnik davon völlig unabhängig die Hauptreinigung betreibt, beobachtet werden: Die einen sorgen auf billige Weise dafür, daß die anderen den Einsatz von teurer Technik und Arbeit reduzieren können. Die einen verrichten Arbeiten, die sie nicht dafür qualifizieren, die Arbeit der anderen auszuführen. Sie tragen die als Ein-Euro-Jobber kennzeichnende Arbeitskleidung, die betrieblich und öffentlich ausdrückt, daß sie nicht dazugehören . Sie arbeiten weitgehend selbständig , mit dem anderen fest angestellten Personal kommen sie im Arbeitsprozeß nicht zusammen; nur Einsatzplanung und Dienstaufsicht und fachliche Anleitung werden durch die EDG organisiert.
Die Ein-Euro-Jobber erwerben mittels der von ihnen verrichteten ästhetischen Reinigung keinen Zugang zu einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Das warenförmig angelegte Reinigungsgewerbe – die Tochter des Konzerns Stadt Dortmund selbst wie jedes andere Unternehmen der Branche – benötigt andere Voraussetzungen und Bedingungen für das Erbringen ihrer Dienstleistung. Ein Übergang ist so nicht möglich und auch gar nicht beabsichtigt, eine Übernahme hat es auch tatsächlich bis heute nicht gegeben.
Im Betrieb außen vor
Hier wie auch in anderen Arbeitsgelegenheiten nimmt der Maßnahmeträger die neue Figur der Ein-Euro-Jobber als einerseits überflüssig und abseits stehend wahr, auf die man nebenbei etwas achten muß. Andererseits eröffnen sich mit ihr doch verwertbare Aspekte. In dieser Widersprüchlichkeit können nur zufällig konstruktive soziale Beziehungen entstehen; im Regelfall bleibt der dienstverpflichtete Mensch außerhalb der Sozialverhältnisse des Betriebs des Maßnahmeträgers.
Die Beschäftigten desselben Betriebs nehmen die neue Figur nur wahr, wenn ihnen eine Aufgabe im Kontext zu ihr übertragen wird: Anleiten, Aufpassen etc. Das prägt ihren Umgang je nach Schwere der zusätzlichen Belastung und nach Chancen einer Entlastung. Ein klassisch kollegiales Verhältnis ist auf dieser Grundlage nicht herzustellen. Alle anderen Mitarbeiter des Betriebs befassen sich nicht mit der Figur, häufig begegnen sie ihr gar nicht. Die betrieblichen und arbeitsrechtlichen Mitgestaltungsinstrumente werden nicht angewandt, die neue Figur gehört nicht dazu. Ein-Euro-Jobber sind im Betrieb Fremde auf Zeit und wissen das. Ihre Haltung zum Arbeiten ist vor allem durch ihren Lebenslauf geprägt. Der Betrieb als Sozialverhältnis ohne ehrliche Entwicklungsperspektive für sie tritt ihnen äußerlich gegenüber, auf Zeit verpflichtend, mehr nicht. In der Regel herrscht ihnen gegenüber Gleichgültigkeit.
Der Zugriff der Maßnahmeträger auf die dienstverpflichteten Menschen in den Arbeitsgelegenheiten unterscheidet sich graduell durch die Art des Trägers und danach, ob Frauen oder Männer, ob formal niedriger oder höher Qualifizierte dienstverpflichtet werden. Sozialgewerbliche Träger nutzen die Dienstverpflichtung stärker aus, hier wird häufig intensiver und extensiver über die gesetzlichen 30 Stunden hinaus gearbeitet, ungeregelt und unbezahlt, quasi ehrenamtlich und unter dem Signum der guten Sache . Frauen und Männer werden nach den vorgegebenen Geschlechterrollen in den Berufssparten eingesetzt. Formal niedriger Qualifizierte werden stärker reglementiert eingesetzt als formal höher Qualifizierte. Grundsätzlich aber – gleichgültig, ob die Arbeitsgelegenheit an der Hochschule, wie es in Hamburg der Fall sein kann, oder in der Grünpflege, wie z. B. in Dortmund – werden alle gleichermaßen in Hilfs- und reproduktiven Positionen eingesetzt.
Im betrieblichen Interesse ist der dauerhafte Einsatz der mindestens kostenneutral, wenn nicht gewinnbringend einzusetzenden Ein-Euro-Jobber keineswegs uninteressant. Eine Analyse der allgemeinen Entwicklung des Arbeitsprozesses, der Arbeitsorganisation und der Veränderungen in Technikeinsatz und Beschäftigtenstruktur würde deutlich machen, wie sehr Rationalisierung und damit einhergehend die Automatisierung gerade den Sektor der Hilfs- und reproduktiven Tätigkeiten in allen Branchen vernichtet hat. Da aber Kommunen permanent zu finanzsschwach sind, um die hohen Kosten der Automatisierung für kommunalspezifische Arbeitsprozesse einführen zu können, ist mit Hartz IV eine Lösung gefunden worden – wenn auch, von den Trägern häufig beklagt, eingeschränkt durch mißliches Regelwerk wie z.B. die Kurzfristigkeit der Maßnahmen, weshalb das Personal alle sechs bis neun Monate ausgewechselt werden muß, und die Einschränkungen der Einsetzbarkeit, weshalb sich der Maßnahmeträger bezüglich der Einsatzart von Ein-Euro-Jobbern stets neue gesetzeskonforme Beschäftigungsarten ausdenken muß.
Rationalisierung bei Kommunen
Die reale Profitabilität der Ein-Euro-Jobs im Konzern Stadt Dortmund wird im Haushalt nicht dargestellt. In die Bilanzierung fließt nicht hinein, was sie an Werten schaffen. Die für sie de facto nicht verausgabten Löhne tauchen in der Bilanz nicht auf. Es wird auch nicht vermerkt, was an anderen Stellen im Konzern durch sie eingespart wird, sei es durch Freistellung von Beschäftigten für andere Aufgaben oder durch Nichtwiederbesetzung etwa freiwerdender Stellen usw. Das bereits für die nächsten Jahre, bis 2011, im Rahmen einer in Zusammenarbeit mit der Gütersloher Bertelsmann Stiftung geplanten Verwaltungsreform Verwaltung 2020 angekündigte Streichen von zirka 900 Stellen in Dortmund ist eine deutliche Sprache. Ganze Abteilungen wie der Eigenbetrieb Stadtgrün stehen zur Liquidierung an – nicht zufällig ein Bereich, in dem Ein-Euro-Jobs inzwischen weitgehend die qualifizierten Arbeitsplätze verdrängen.
Die Ein-Euro-Jobs werden im wesentlichen in den unteren Tarifgruppen des Konzerns Stadt Dortmund eingerichtet (unabhängig davon, ob die dazu Dienstverpflichteten dafür qualifiziert sind – in der Regel sind sie anders und nicht selten überqualifiziert). Diese Tarifgruppen sind längst ausgedünnt, teils durch technologische und arbeitsorganisatorische Rationalisierung, teils durch Auslagerung der entsprechenden Aufgaben oder durch die Aufgabenübertragung an höherwertige Tarifgruppen, deren Arbeit verdichtet wurde. Die Arbeitsgelegenheiten füllen die entstandenen Lücken – unmerklich, weil das nicht sichtbar sein darf. Es wird geprobt, wie der öffentliche Dienst auf der Basis von Dienstverpflichtungen neuerlich rationalisiert und dabei manche abgeschaffte Hilfs- und Reproduktionsarbeit wie Handreinigung von Straßen, Plätzen und Wegen, Hausmeister- und Küchentätigkeiten, Botendienste, Sekretariats- und Schreibdienste etc. wiederentdeckt werden kann.
Im Einsatz von Ein-Euro-Jobbern werden generell Defizite gegenüber dem warenförmigen Einsatz von Arbeitskraft gesehen, vermutet, prognostiziert usw. Die Dortmunder Studie1 hat im sozialgewerblichen Bereich ein solches Defizit im Verhältnis von eins zu drei ermittelt, das so oder ähnlich auch auf den Einsatz beim kommunalen Träger übertragen werden kann.
Manche Kämmerei wird überlegen, in solcher Richtung strategisch weiterzudenken. Von den zirka 6700 Stellen (vollzeitverrechnet zirka 7500 Beschäftigte) im Kernbereich der Stadt Dortmund, entfallen auf die für solche Überlegungen zuerst in Frage stehenden Vergütungsgruppen bis E6 (ehemals VIb bei den Angestellten und Lg6 bei den Arbeitern) und im Mittleren Dienst bei den Beamten insgesamt zirka 2000 Stellen (vollzeitverrechnet). Die hierfür im Verhältnis eins zu drei erforderlichen zirka 6000 Ein-Euro-Jobber wären aus dem Pool der derzeit zirka 35000 erwerbsfähigen ALG-II-Beziehern in Dortmund zu rekrutieren. Sie dienstverpflichtet einsetzen zu können, ergäbe eine Kostenreduktion, die das Interesse der Kommunen an Hartz IV verdeutlichen kann.
Die grob, aber zulässig vereinfachende Rechnung sagt: Alle mit der Durchführung der Arbeitsgelegenheit verbundenen Kosten laufen entweder durch – die Mehraufwandsentschädigung von der ARGE zu den Ein-Euro-Jobbern – oder werden im Rahmen der Begleitpauschale von der ARGE aus Bundesmitteln getragen. Beobachtungen weisen darauf hin, daß hiervon insbesondere bei großen und gut organisierten Trägern einiges übrig bleibt und in deren Haushalt anders Verwendung finden kann. Die Stadt Dortmund muß nach derzeitigen Regelungen Anteile an den Wohnkosten der von ALG II Lebenden in Höhe von durchschnittlich zirka 200 Euro pro erwerbsfähiger Person tragen. Der Einsatz von drei Ein-Euro-Jobbern kostet bis auf die lediglich umzubuchenden durchschnittlichen 600 Euro Beteiligung an den Wohnkosten nichts gegenüber den Lohnkosten für einen Beschäftigten, dessen Arbeit die drei Ein-Euro-Jobber dienstverpflichtet ausführen. Die Realisierung dieses schönen Bildes muß nicht in weiter Ferne liegen – sie hat begonnen.
1 Irmgard Bongartz/Birgit Mütherich/Wolfgang Richter/Andreas Thiem/Irina Vellay: Der Workfare State – Hausarbeit im öffentlichen Raum? , Dortmund 2006
Wolfgang Richter, Professor für Architektur und Stadtplanung, forscht zur Entwicklung der Arbeit im Bausektor und zu Problemen der Stadtentwicklung. Er ist aktiv im Linken Bündnis Dortmund – Parteilose Linke, DKP und SDAJ
Ein paar klärende Sätze
Ich muss nicht Verständnis aufbringen für die Sorgen und Ängste von Menschen, die offenbar zu kalt und gefühlsverarmt sind, um zu erkennen, welche Ängste ihre instinktlosen Demonstrationen bei Flüchtlingen und Einwanderern auslösen.
Ich muss nicht verstehen, warum Jahre nach dem Mauerfall Menschen gegen Ausländer auf die Straße gehen, nur weil sie nach über zwei Jahrzehnten nicht kapiert haben, womit Deutschland sein Geld und seinen Wohlstand verdient: mit Internationalität.
Ich muss nicht ertragen, dass eine Demonstrantin in Dresden in die Kamera spricht: “Wir sind nicht ’89 auf die Straße gegangen, damit die jetzt alle kommen” während sie so aussah, als sei sie ’89 nur auf die Straße gegangen, um bei ihrem Führungsoffizier die zu verpfeifen, die wirklich gingen. Diese Demonstrationen “Montagsdemonstrationen” zu nennen, ist eine weitere Instinktlosigkeit gegenüber denjenigen, die ’89 für Freiheit und offene Grenzen auf die Straße gingen.
Ich muss nicht akzeptieren, dass Menschen, die seit Jahrzehnten direkt und indirekt Transferleistungen in bisher ungekannten Höhen entgegengenommen haben, nun nicht einmal Flüchtlingskindern ein Dach über dem Kopf gönnen.
Ich muss nicht wie CSU und manche in der CDU die Fehler vor allem dieser beiden Parteien aus den 60er bis 90er Jahren wiederholen und diesen eiskalten Demonstranten auch noch verbale Zückerchen zuwerfen – von AfD und der anderen braunen Brut ganz zu schweigen.
Ich muss nicht christlich sein zu Menschen, die angeblich die christliche Tradition verteidigen, um dann ausgerechnet zur Weihnachtszeit Hass und Ausgrenzung zu predigen.
Ich muss nicht nach Ursachen suchen, um den niedersten Instinkt, zu dem die menschliche Rasse fähig ist, zu erkennen: Das Treten nach unten und das Abwälzen persönlicher Probleme und Unfähigkeiten auf willkürlich ausgewählte Sündenböcke.
Ich muss nicht ertragen, dass Menschen, die seit Jahren den Hintern nicht bewegt bekommen, ausgerechnet dann aktiv werden, wenn es gegen Minderheiten geht.
Ich muss nicht daran erinnern, dass die deutschen sozialen Sicherungssysteme jedes Jahr Milliarden EUR netto durch Einwanderer und deren Nachfahren eingenommen haben – und dass diese Gelder am Ende dem hetzenden Pöbel auch noch die Rente zahlen werden.
Ich muss nicht diplomatisch sein, sondern so, wie noch viel mehr Menschen in Deutschland sein sollten, offensiv:
Braune Brut von Deutschland: Ihr seid die Schande Deutschlands.
Unbarmherzig, hasserfüllt, menschenfeindlich und aus ganzem Herzen verachtenswert.